Sympathische alte Hunde

Als würde man sie schon ewig kennen: „Dead Moon“ brennen in der Fabrik wieder Kerzen ab und spielen dazu wie seit 15 Jahren ihren knochigen Garagen-Punk

Ja ja, das neue Jahrtausend. Alles glänzt und pulsiert, täglich gebiert der Fortschritt irgendwelche schicken neuen Musiken – aber Omas Apfelkuchen, der schmeckt dabei immer noch lecker. Und Dead Moon bleiben Dead Moon. Das heißt, sie tun immer wieder, was sie tun müssen, nämlich knochigen Garagen-Punkrock mit langen Haaren spielen.

Nun ist das allein noch nichts Besonderes, denn Tausende andere Bands machen genau das Gleiche. Dead Moon werden trotzdem fast kultisch verehrt, und dafür gibt es zwei Gründe. Erstens: Sänger Fred Cole hat etwas, das sonst nur Leute wie Johnny Cash oder Lemmy Kilmister haben: Er klingt mit seiner jammerigen Stimme etwa wie ein altes Eichenfass mit tiefen Furchen in seiner Oberfläche. Zweitens: Dies ist die Geschichte einer Liebe.

Angefangen hat sie in den Sechzigern in Portland, Oregon. Fred Cole konnte zu jener Zeit bereits auf eine kurze, gescheiterte Reißbrett-Karriere als „weißer Stevie Wonder“ mit dem prima Künstlernamen Deep Soul Cole zurückblicken, nun war er Sänger bei der Gruppe The Weeds. Toody Connor war Kellnerin in seiner Stammkneipe. Sie sagt, er sei ein Arschloch gewesen damals. Er sagt, das stimmt. Geheiratet haben die beiden dennoch, heimlich natürlich, weil sich so etwas für Rocker eigentlich ja nicht gehörte.

Mittlerweile sind Fred und Toody Großeltern, haben die Silberhochzeit hinter sich und dazu noch 15 Jahre Dead Moon, jedes einzelne davon in Mono. Das Bandlogo, einen Mond mit Totenkopffratze, haben sie sich eintätowieren lassen (er sogar auf die Wange, was allerdings selten zu sehen ist, weil ständig Haare im Weg hängen). Warum also sollte man diesen Leuten nicht glauben? „I was so gone, I was dead-eyed / I‘ve been screaming at the top of my lungs since 1965“, kreischt Fred Cole, und genau so ist es höchstwahrscheinlich gewesen.

Mehr als zehn klassische Outsider-Metaphern, drei unfertige Gitarrensoli und eine gerissene Saite braucht es nicht, um die Illusion entstehen zu lassen, man würde diese Typen schon ewig kennen: den sympathischen alten Hund mit zerbeulten Jeans, Cowboystiefeln und der lustigen Nase; die ledrige, kumpelhafte Frau am Bass, die mit dem schwitzenden Volk in den ersten Reihen auf freundlichste Weise Dosenbier zischt und, wenn sie singt, ein bisschen was von Patti Smith hat; und den Drummer, der nicht der Sohn von Fred und Toody ist, auch wenn das viele glauben. Andrew Loomis sitzt immer in der Mitte, ganz vorne am Bühnenrand. An seinem Schlagzeug ist eine Whiskyflasche befestigt, auf der eine Kerze steckt. Wenn sie heruntergebrannt ist, wird eine neue angezündet, wie in der Kirche.

Man kann solche Rituale öde finden, weil sie, bei Licht betrachtet, tatsächlich öde sind. Aber gerecht wäre das in diesem Fall nicht, denn hier haben wir es mit Besessenen zu tun. Dead Moon sind Cole to the max, und sie haben nicht nur die richtigen drei Akkorde, sondern auch die Melodien dazu. Lasst die Rolling Stones endlich beim Schnittchen-Empfang des Arbeitgeberverbandes auftreten und die Strokes meinetwegen in einem Werbespot für Levi‘s Jeans. Geht in die Fabrik, die anderen kommen auch. Jan Möller

mit Painted Air: Sonntag, 21 Uhr, Fabrik