Nach dem Regen

Vier Filme aus Ex-Jugoslawien begleitend zum Kongress „Studenten bauen Brücken“: Das Metropolis gibt mit „Vor dem Regen“, „Lepa sela lepo gore“, „Marschall Titos Geist“ und „Munje“ einen Überblick über aktuelle Filmtendenzen

von ALEXANDER MIRIMOV

Zehn Jahre ist es her, dass sich das florierende Mittelmeerland namens Bundesrepublik Jugoslawien – bis dahin ein beliebtes Reiseziel deutscher Urlauber – in eine düstere Kulisse verwandelt hat. Kulisse für ein makabres Schauspiel, das inzwischen einige, wie neulich der Theatermacher Tomas Pandur bei seiner Dante-Inszenierung, dazu veranlasst hat, in ihren Kreationen den Balkan als Standort der modernen Hölle darzustellen.

Seit zehn Jahren gibt es also kein Alt-Jugoslawien mehr. Seit ein paar Monaten ist auch Rest-Jugoslawien Geschichte. Geblieben ist lediglich der Begriff Ex-Jugoslawien. Wie dem auch sei: Alles, das wissen wir, hat seine Zeit. Und so kehren langsam auch die deutschen Touristen an die Adriaküste zurück. Zeit auch für uns, endlich mal einen unvoreingenommenen und von CNN-Bildern ungetrübten Blick gen Südosten zu werfen. Gelegenheit dazu gibt eine im Rahmen des Kongresses „Studenten bauen Brücken“ organisierte Filmreihe im Metropolis: Gezeigt werden Filme überwiegend junger Regisseure, die, jeder auf seine Art, versuchen, die komplizierten postjugoslawischen Verhältnisse zu reflektieren.

Nema filma bez mraka – Kein Film ohne Finsternis – unter diesem Motto wurde am 2. März 2002 in Belgrad das fünfzigjährige Jubiläum der Jugoslawischen Kinemathek gefeiert. Nichts kann besser als diese Worte die letzte Dekade im südosteuropäischen Film beschreiben. Schließlich war das, trotz schrecklicher Produktionsbedingungen, dem innenpolitischen Druck und, wie im Fall von Serbien, weitgehender internationaler Isolation, mit die fruchtbarste, intensivste und anspruchsvollste Film-Zeit gewesen. Allein in Serbien entstanden mehr als 80 Spielfilme. Die Auswahl im Metropolis gibt, trotzdem in ihr nur vier Filme gezeigt werden, einen guten Überblick über aktuellen Tendenzen.

Eröffnet wird das Programm mit dem – nach Kusturicas Underground wohl bekanntesten Balkan-Film der letzten zehn Jahre – der mazedonisch-englisch-französischen Produktion Vor dem Regen (1994) vom Amerikano-Mazedonier Milco Mancevski. Dem bis dahin vor allem als Experimentalfilmer und Clipmaker bekannten Mancevski gelingt es, ein komplexes, tiefgründiges Werk zu schaffen, das an seiner Aktualität bis heute nichts eingebüßt hat.

Der Film besteht aus drei miteinander verbundenen Novellen, die jeweils in einem mazedonischen Kloster, einem Londoner Restaurant und, der Kreis schließt sich, einem mazedonischen Dorf spielen, und eine geschickte Anspielung auf klassische Motive der Weltliteratur vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Balkankonflikts darstellen. Begleitet werden die, mit stellenweise fast „exzessiver“ Sorgfalt komponierten Bilder von den meditativen Klängen der bekannten mazedonischen Ethno-Band Anastasia.

Eine völlig andere, aber nicht weniger beeindruckende Vision des Balkan-Konflikts bietet die umstrittene serbische Produktion Lepa sela lepo gore (Pretty Villages, Pretty Flames) von Srdjan Dragojevic. Von vielen als pro-serbisch, von den serbischen Nationalisten dagegen als anti-serbisch abgestempelt, ist Lepa sela lepo gore in erster Linie ein mutiger, in seiner Direktheit erschütternder Antikriegsfilm, der seinem Autor vor allem in seiner Heimat viel Ärger gebracht hat. Auf eine einmalige Art und Weise vereint das Werk in sich amerikanische Vietnam-Kriegsfilm-Tradition mit Elementen postmoderner Ästhetik jugoslawischer Prägung. Ob pro- oder antiserbisch, fest steht, so ein anderer zeitgenössischer Regieklassiker, Gorcin Stojanovic: „Wenn beide Parteien, die einander bekämpfen, Sie attackieren, dann haben Sie wahrscheinlich recht.“

Dass es auf dem Balkan nicht immer ums Schießen geht, beweisen die beiden in der Filmreihe vertretenen Komödien – der kroatische Kassenschlager Titos Geist von Vinko Bresan und sein serbisches Pendant Munje von Radivoje Andric. Alle die schon immer der Meinung waren, dass Genosse Tito (samt seiner Wiedergänger) ins Irrenhaus gehört, bekommen dafür in Bresans Film unwiderlegbare Argumente. Und diejenigen, die je daran gezweifelt haben, dass Belgrad eine coole Stadt ist, werden nun endlich dank Andrics Film eines Besseren belehrt. Der Regen ist vorbei. Es lebe die Sonne!

Vor dem Regen: Mi (8.5.), 19 Uhr + 24.5., 21.15 Uhr; Lepa sela lepo gore: Fr, 21.15 Uhr + 18.5., 17 Uhr; Marschall Titos Geist: Sa + Mo, 21.15 Uhr; Munje: Sa, 19.15 Uhr + So, 17 Uhr, Metropolis