Rotkäppchen als japanischer Actioncomic

■ Auf dem diesjährigen Fantastival im Kino 46 haben die „Geister, Mumien, Mutationen“ aus Hollywood ausgedient

Auf der diesjährigen Berlinale sind die japanischen Zeichentrickfilme gesellschaftsfähig geworden. Die sehr liebevoll und mit überbordender Fantasie gezeichnete Geistergeschichte „Spirited Away“ gewann überraschend den Goldenen Bären, und natürlich hätten die Organisatoren des Bremer Fantastivals, das vom 9. – 17. Mai im Kino 46 stattfindet, den Film gerne in ihrem Programm gehabt, aber der Verleih hält ihn noch unter Verschluss, weil er ihn erst im Spätherbst groß herausbringen will.

Dabei lief schon 1999 mit „Jin Roh – die Wolfsbrigade“ ein ähnlich guter und origineller Animationsfilm auf den Berliner Filmfestspielen, und dieser ist nun als Erstaufführung endlich in Bremen zu sehen. Am besten kann man den düsteren, pessimistischen Film vielleicht als „Manga-noir“ bezeichnen. Er handelt von rivalisierenden Polizeiorganisatoren, die im Japan der 50er Jahre blutige Intrigen spinnen, und von einem rechtstradikalen Geheimkommando, dessen Mitglieder sich „Wölfe“ nennen.

Nicht zufällig werden da Assoziationen an die Nazi-Terrororganisation „Werwölfe“ geweckt, denn zu den ansonsten futuristischen Panzeruniformen der Kämpfer (mit Masken, in denen rote Augen glühen) gehören auch Helme, die eindeutig an die der deutschen Wehrmacht erinnern. Nein, keine Angst, dies ist kein neonazistisches Machwerk, aber interessant ist „Jin Roh“ (neben den wirklich erstaunlich realistisch wirkenden Animationen) gerade für uns, weil darin ein starker deutscher Einfluss spürbar wird.

So scheinen damals fast alle in Japan Volkswagen gefahren zu sein, und der Zentralmythos, auf den sich der Film immer wieder bezieht, ist das Grimmsche Märchen „Rotkäppchen“. Es taucht sogar als Buch in deutscher Sprache auf, in dem der deutsche Originaltext scheinbar ohne Schwierigkeiten von einem japanischen Elitepolizisten gelesen und verstanden wird. Dieses Detail ist vielleicht der fantastischste Effekt des ganzen Fantastivals.

Darin wird außer einer Aufführung der Originalfassung von „Der Herr der Ringe“ übrigens kein einziger Hollywoodfilm über „Geister, Mumien, Mutationen“ gezeigt. Die spannenderen Genre-Filme kommen zur Zeit eindeutig aus Japan, und deswegen werden hier noch zwei weitere davon gezeigt. „Uzumaki – Spiral“ ist auch eine Manga-Adaption, allerdings als Realfilm.

Hierin wird ein abgelegenes Bergdorf von seltsamen Spiralen heimgesucht, die die Menschen in Tod und Wahnsinn treiben. Der Film von Akihiro Higuchi ist ein virtuoses Schauerstück, bei dem fast nur mit Stimmungen und kaum mit Knalleffekten gearbeitet wird. Sogo Ishii war in den 80ern mit „Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb“ das Enfant terrible des neuen japanischen Films, und solch ein asiatischer Schlingensief ist er auch geblieben. Sein „Electric Dragon 80.000 V“ ist eine überdrehte und sehr laute Punk-Ode.

Als passender Film zur gerade wieder aktuellen Diskussion über Gewalt im Kino steht schließlich noch „The American Nightmare“ auf dem Programm, ein Dokumentarfilm über den amerikanischen Horrorfilm der frühen 70er Jahre, in dem politische Metaphern in den Werken von Regisseuren wie Cronenberg, Romero oder Craven gefunden werden und die Filmemacher selber sehr klug darüber Auskunft geben, warum sie so gerne zeigten, wie Eingeweide aufgeschlitzt wurden und Köpfe explodierten.

Wilfried Hippen

Das Fantastival findet von heute bis zum 17. Mai im Kino 46 statt. Alle Filme laufen in der Originalfassung mit Untertiteln. Die genauen Spieldaten und Kurzkritiken stehen in der Kinotaz