„Wir nannten sie Maschinenbäuerin“

In technischen Berufen krachten die Geschlechterklischees länger aufeinander als anderswo. Nach 25 Jahren bringt die taz zwei Insider zusammen

BERLIN taz ■ „Als ich mein Maschinenbaustudium begonnen habe, da haben mir die Männer klar gesagt: Mädchen du hast hier nicht zu suchen“, erzählt Burghilde Wieneke-Toutaoui. Das war 1976. Heute ist Wieneke-Toutaoui studierte Maschinenbauerin und Professorin an der technischen Fachhochschule Berlin. Und so offen wie vor zwanzig Jahren bekommt sie männliche Vorurteile inzwischen nicht mehr zu spüren. Was aber nicht heißt, dass keine mehr vorhanden sind.

Max Bendig, selbstständiger Maschinenbauer aus Berlin: „An der Uni waren Frauen Exotinnen. Maschinenbäuerin oder Ingenieuse haben wir sie genannt“, grinst er. Vorurteile? „Ich halte mich für vorurteilsfrei.“ Und wenn Vorurteile, dann natürliche nur positive. Bendig hält Frauen für teamfähiger und konsensbereiter als Männer. Eine Einschätzung, die Wieneke-Toutaoui zum Stöhnen bringt: „Es ist nett, dass uns diese Eigenschaften zugesprochen werden und wir deshalb in Arbeitsgruppen und Teams eingesetzt werden, aber ich denke, das ist keine typisch weibliche Eigenschaft.“ Bendig fällt dann doch noch was typisch Weibliches ein: „Frauen fühlen sich schneller angegriffen. Zu mir hat mal eine Studentin gesagt, ich sei ein frauenfeindlicher Arsch, nur weil ich sie gefoppt habe.“ Seine Kollegin sieht das anders: „Ich bin nicht empfindlich“, schnaubt sie. „Ich sehe nur Strukturen, die andere nicht erkennen. Es gibt auch heute noch Vorurteile gegenüber weiblichen Ingenieuren. Früher sind wir ins offene Messer gelaufen, heute sind die Messer verdeckt. Das ist teilweise noch gefährlicher.“ Davon will Bendig nichts wissen: „Ich kenne niemand, auch keinen älteren Kollegen, der Vorurteile gegenüber Ingenieurinnen hat.“ Vor allem ein Ingenieurinnen-Klischee sei weitgehend erledigt. Dass Frauen in technischen Berufen Mannweiber seien, glaube heute niemand mehr.„Dieses Vorurteil entstand, weil Ingenieurinnen selbstbewusster sind, als die durchschnittliche Frau“, glaubt Bendig. Dem stimmt auch seine Kollegin zu: „Ich bin definitiv selbstbewusster geworden.“ Das müsse man aber auch, wenn man sich in traditionellen Männerdomänen durchsetzen wolle, vermutet Bendig.

Noch immer sind nur 11 Prozent der Maschinenbauer Frauen. Das liegt nach Ansicht von Wieneke-Toutaoui nicht an mangelnder technischer Begabung der Frauen, sondern eher an der Ausrichtung des Studiums: „Um Frauen an techniknahe Studienfelder heranzuführen, müsste man mehr integrierte Studiengänge schaffen“, glaubt sie. Untersuchungen hätten gezeigt, dass Frauen „auch mal über den Tellerrand gucken wollen“. Die Krux an der Sache: „Das meiste, was bei Frauen gut ankäme, würden auch Männer gut finden.“

Ein weiterer Grund, warum weibliche Ingenieurinnen selten sind: Vielen Frauen fehlt es an der „Bastlermentalität“, meint Bendig. Gründe dafür sieht der Ingenieur in der Erziehung: „Jungs werden viel früher an Technik rangeführt.“ Das will Bendig ändern: „Meine beiden Nichten bekommen von mir immer wieder technisches Spielzeug geschenkt.“

ANGELIKA HENSOLT