Radikaler Kämpfer für die Rechte der Tiere

Der mutmaßliche Mörder des niederländischen Politikers Pim Fortuyn galt seit Jahren als Bauernschreck

Einen „grünen Robin Hood“ nannten ihn Freunde wie Feinde. Letztere dürfte sich Volkert van der Graaf aus dem holländischen Harderwijk, der im Verdacht steht, am Montag den Rechtspopulisten Pim Fortuyn erschossen zu haben, in den vergangenen Jahren eine Menge gemacht haben. Der 32-jährige Mitarbeiter der Umweltorganisation „Vereniging Milieu-Offensief“ (VMO), der wenige Minuten nach dem Attentat von der Polizei überwältigt wurde und seit Mittwoch wegen Mordes und illegalen Waffenbesitzes angeklagt ist, galt als Bauernschreck. Auf der Website animalfreedom.org rühmt sich Van der Graaf, in den letzten acht Jahren an die 2.000 Prozesse gegen Landwirte und Umweltämter geführt zu haben, von denen seine Organisation die meisten gewonnen habe.

Verhasst sind VMO-Aktivisten vor allem bei Schweine-, Kälber- und Hühnermästern in der niederländischen Provinz Gelderland. Zusammen mit einem Kollegen zog Van der Graaf, der zwischen 1987 und 1990 an der Universität Wageningen Umwelthygiene studierte, aber keinen Abschluss machte, übers Land und legte gegen jede nicht ganz wasserdichte Betriebsgenehmigung Beschwerde ein.

„Ich kenne ihn aber nicht als jemanden, der Gewalt anwenden würde“, erklärte am Mittwoch im niederländischen Fernsehen VMO-Justiziar Roger Vleugels über den mutmaßlichen Mörder Pim Fortuyns. Volkert van der Graaf, seit acht Jahren bei der VMO, sei ein „gewissenhafter Arbeiter“, der viele Verfahren gleichzeitig führte. „Er ist ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Umwelt, und das Schicksal der Tiere liegt ihm ganz besonders am Herzen“, so Vleugels, der Van der Graaf einige Male als Jurist zur Seite stand. „Er wollte einfach, dass die Bauern sich an die Gesetze halten. Darin war er stets radikal, kannte keine Kompromisse.“

Eine Tendenz zu gewalttätigen Aktionen hat auch Jan Baas, Mitarbeiter beim Umweltamt der Stadt Nunspeet, bei Van der Graaf nicht feststellen können. In den letzten acht Jahren habe dieser an die 30 Verfahren gegen die Erteilung von Genehmigungen an Kälbermäster in seiner Kommune angestrengt, so Baas. „Der Mann war immer sehr hartnäckig, aber außerhalb der juristischen Verfahren habe ich ihn nie, etwa bei illegalen Aktionen, erwischen können.“

Das versuchen die Ermittler jetzt im Nachhinein. Vor fünf Jahren wurde Van der Graafs Verein mit der Ermordung eines Beamten der Umweltbehörde im selben Nunspeet in Zusammenhang gebracht. Der Mann war für die Genehmigungserteilung an Landwirte zuständig und hatte die Einhaltung von Umweltauflagen zu überwachen. Damals konnte den VMO-Mitarbeitern nichts nachgewiesen werden.

Tierschützer Van der Graaf handelte, wie er auf animalfreedom.org einräumt, „nicht aus reiner Tierliebe“. Das Mitglied des Niederländischen Verbands gegen Tierversuche spricht dort von „bestimmten Grundwerten“: „Es ist einfach kriminell, wie in der Bioindustrie mit Tieren umgegangen wird.“

Für seine Kollegen ist die Tat „nicht zu fassen“. Ein VMO-Sprecher räumte ein, dass Van der Graaf in letzter Zeit klagte, dass er sich „ausgebrannt“ fühle. Vor wenigen Monaten wurde sein Kind geboren, die neue Vaterrolle habe ihn ganz schön gestresst. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen, als dass er völlig durchgedreht ist.“ HENK RAIJER