Kongos neuer Krieg vorerst vertagt

UN-Vermittlung entschärft Lage in Zentralafrika nach Zusammenbruch der letzten Kongo-Friedensgespräche. Neuer Friedensplan: Angola garantiert Abzug ruandischer Hutu-Milizen aus dem Kongo, Ruanda zieht sich zurück

BERLIN taz ■ Es mangelt nicht an Ideen, wie man die Demokratische Republik Kongo befrieden könnte. Von verstärktem Gebet bis zur UN-Verwaltung reichen die Vorschläge seit dem Zusammenbruch der Kongo-Friedensgespräche im südafrikanischen Sun City am 19. April. Jenseits davon besteht Einigkeit, dass eine komplizierte Lage komplizierte Lösungen erfordert. Nur wird damit auch ihre Umsetzung kompliziert. „Langfristiges Engagement“ nennt das der französische UN-Botschafter Jean-David Levitte, Leiter einer hochrangigen Delegation des UN-Sicherheitsrates, die am Dienstag eine zehntägige Kongo-Vermittlungsreise durch das zentrale und südliche Afrika beendete.

Die Reise war ein Lernprozess – auch für die UNO. Zum Auftakt am 27. April unterstützte Levitte noch klar Kongos Regierung unter Präsident Joseph Kabila. Die hatte am 18. April in Sun City mit Kongos zweitgrößter Rebellenbewegung, der von Uganda unterstützten MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) ein Separatabkommen über die Machtteilung geschlossen, aus dem Kongos größte Rebellenbewegung, die von Ruanda unterstützte RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) sowie mehrere wichtige zivile Oppositionsparteien ausgeschlossen waren. Daraufhin platzten die Friedensgespräche, und ein neuer Krieg drohte.

Vor Ort merkte die UN-Delegation schnell, dass die Forderung, ganz Kongo solle sich einfach dem Arrangement von Kabila und der MLC anschließen, unrealistisch war. Die UN-Diplomaten rufen nun zu neuen Verhandlungen auf. Ein „alle einschließendes Abkommen“, so Levitte nach seiner Rückkehr nach New York, sei „der einzig mögliche Weg, um die Einsetzung einer Übergangsregierung zu erreichen, die die Einheit des Landes garantieren und ihre Souveränität über das gesamte Staatsgebiet des Kongo ausüben kann“.

Im Hinblick auf Neuverhandlungen unter Ägide Südafrikas sind daher nun Delegationen der RCD und ihrer Partner sowie der Regierung Kabila nach Kapstadt gereist. In Kabilas Umfeld waren zuletzt Zweifel an der Koalition mit der MLC gewachsen. Die beiden Parteien misstrauen einander, und eine Umfrage in Kinshasa ergab letzte Woche, dass nach Meinung von 94 Prozent der Befragten das Separatabkommen Kongos Krise nicht löst.

Über die Einzelheiten der Machtteilung wird sich die UNO nicht kümmern. Ihre Sorge gilt der außenpolitischen Dimension. Ruanda unterstützt die RCD mit zehntausenden Soldaten, Simbabwe die Regierung Kabila. Uganda unterstützt zwar die MLC, hat aber kaum noch Truppen im Land, und das gleiche gilt für Angola auf Regierungsseite. Angola, die militärisch stärkste Macht der Region, hat sich überdies der Rebellenseite angenähert und damit einen Ruf an Unberechenbarkeit gewonnen, der dem Land zusätzliches diplomatisches Gewicht verleiht.

Angola war die fruchtbarste Etappe der UN-Reise. Die Diplomaten haben sich dort folgendes Schema ausgedacht: Kongos Regierung entfernt endgültig aus ihrer Armee die ruandischen Hutu-Milizen, deren Anwesenheit Ruandas Regierung die Hauptrechtfertigung ihres militärischen Eingreifens im Kongo bietet. Statt der ruandischen Hutu rücken Einheiten aus Angola ins Regierungsgebiet ein – allerdings nicht zum Kampf gegen Ruanda und die RCD, sondern als Garanten des Stillhaltens aller Seiten. Die RCD tritt in Kongos Regierung ein und erhält ein Mitspracherecht in militärischen Fragen. Ruandas Armee beginnt mit dem Rückzug. Langfristig wird im Ostkongo eine Pufferzone eingerichtet. Dort dürfen Ruanda, Uganda und Burundi unter UN-Überwachung und in Zusammenarbeit mit Kongos neuer Regierung Soldaten stationieren und ihr Staatsgebiet damit vor Angriffen aus dem Kongo schützen.

Die UN-Delegation erhielt am Montag in Ruanda offenbar Zustimmung zu dieser Idee. Es sei ein „beachtlicher Fortschritt“, dass das Projekt einer Pufferzone „einstimmig“ akzeptiert werde, sagte am Mittwoch der UN-Sonderbeauftragte für den Kongo, Amos Namanga Ngongi.

Die Komplexität des neuen Friedensplans garantiert zwar, dass auf dem Weg zu seiner Realisierung eine unübersichtliche Anzahl von Stolpersteinen auftauchen wird. Aber in die festgefahrene Situation seit dem Zusammenbruch der letzten Friedensgespräche kommt Bewegung. DOMINIC JOHNSON