Hyänen schleichen nur nachts

■ Botschaftsschildkröte und Löwenfellkrone – Bilder aus Äthiopien

Ein Krummsäbel saust in einen Löwenschädel, nicht weit davon entfernt sieht man die flauschige Königskrone, zu der die mächtige Mähne und das Fell verarbeitet wird – „Bilder aus Äthiopien“, ab Sonntag im Bremer Überseemuseum ausgestellt.

Diese Darstellungen erinnern an die naive Malerei Europas: Die Menschen bestehen aus sauber konturierten Flächen, farbig ausgemalt. Statt in einer räumlichen, sind sie in einer Art „Bedeutungsperspektive“ angeordnet – die wichtigsten Personen sind am größten dargestellt, gut und böse unterscheiden sich durch Frontal- oder Profilansicht.

Fast immer handelt es sich um „erzählende Malerei“, die zur Verdeutlichung auch auf Schriftzeichen zurückgreift. Einige Bilder werden so zu veritablen Comic-Strips – etwa der Gründungsmythos des äthiopischen Herrscherhauses, der auf der trickreichen Verführung der Königin von Saba durch den weisen Salomon basiert.

Auch immer wieder gerne gemalt: Die Schlacht von Adua, als die Äthiopier die italienische Armee vernichtend schlugen. Das Kaiserreich blieb ein Fleck unkolonialisiertes Afrika – eine stolze Tradition, der auch die kurze Besetzung des Landes unter Mussolini nichts anhaben konnte. Schließlich vertrieb man die Italiener 1940 wieder.

Die Ausstellung zeigt Bilder, die zwischen 1900 bis 1935 entstanden sind. Immer wieder kann man kleine Entdeckungen machen: Welche ebenso simplen wie praktischen Bildzeichen die äthiopische Ikonographie verwandte (etwa die dazugemalte Hyäne, die dem naturkundigen Betrachter verdeutlicht, dass eine Szene bei Nacht spielt) oder auch individuelle Ausbrüche aus dem Formenkanon. Und trotzdem: Der Grundtenor der Bilder erscheint dem hiesigen Betrachter zunächst kindlich-naiv.

Dazu Peter Junge, der zehn Jahre für die Afrika-Abteilung des Überseemuseums verantwortlich war: „Das ist eine Klassifizierung aus europäischer Sicht – aber ich kann natürlich niemanden daran hindern, mit der eigenen Brille zu gucken.“

Immerhin ist unverkennbar, dass die äthiopische Malerei zum Teil von den selben Wurzeln geprägt ist wie die Europäische: von der christlichen Ikonographie. Bereits im 4. Jahrhundert wurde das Land missioniert – ein junger Christ war als Schiffbrüchiger an den Hof gekommen – und seither von der byzantinischen Ästhetik beeinflusst. Deren unmittelbares Erbe ist bis ins 20. Jahrhundert sichtbar geblieben, auch wenn Künstler wie Mickael Bethe-Sélassié längst in der internationalen Kunstszene mitmischen.

Gespiegelt werden die Malereien – räumlich und inhaltlich – durch historisches Fotomaterial aus dem reichen Bestand des Überseemuseums. Circa 10.000 Fotografien schlummern im Archiv. Ein gutes Fünftel davon stammt aus Äthiopien, das vor allem der Bremer Kaufmannssohn Wilhelm Melchers hinterlassen hat.

Die Aufnahmen repräsentieren in erster Linie den „Botschafterblick“ – Schnappschüsse von Kaiserkrönungen und religiösen Zeremonien. Oder sie zeigen den deutschen Gesandten mit dessen privater Kegel-Installation – die äthiopische Öffentlichkeit bekam ihn freilich nur mit Pickelhaube zu Gesicht. Der Höhepunkt der Privatheit: Ein „Porträt“ der offiziellen Botschaftsschildkröte, deren Panzer ordnungsgemäß mit einer Inventarnummer versehen war. Acht ihrer Nachkommen sollen heute die deutsche Botschaft in Addis Abeba bevölkern.

Bremens äthiopische Bilder sind in der deutschen Museumslandschaft durchaus gefragt. Im Herbst wandert die Ausstellung via Berlin durch diverse Großstädte. Auch in Addis Abeba sollen die äthiopischen Bilddokumente zu sehen sein – „aus finanziellen Gründen“ allerdings nur in Gestalt von Reproduktionen. Henning Bleyl

Bis zum 25. August im Überseemuseum. Eröffnung ist Sonntag um 11 Uhr durch den äthiopischen Botschafter