Die Stadterotikerin

Doppelrolle rückwärts: Als TV-Moderatorin gibt sich Kim Fisher keck und familienfreundlich. Als Popsängerin singt sie dagegen nun von Selbstbefriedigung und Sex mit Unbekannten

von AXEL SCHOCK

Wir wissen, dass sie beim One-Night-Stand eine klare Rollenverteilung liebt und in diesem Falle den Macho-Mann keineswegs von der Bettkante stößt. Dass sie nicht immer Safer Sex macht, dass sie es mit Fremden am liebsten im Hotel treibt, weil ihr die verliebt dreinschauenden Lover am nächsten Morgen beim Frühstück dann weniger auf den Geist gehen. Wenn’s um ihr Single-Sexleben geht, so hat Kim Fisher in den letzten Monaten bei ihren Interviews kaum ein Detail ausgelassen.

Das muss manchen ergrauten Herrn beim ARD ein enges Hemdkragengefühl bereitet haben. Denn eigentlich hatte man sich die „Riverboat“-Talkmasterin als Moderatorin doch vor allem deshalb ins Haus geholt, weil sie zwar jugendlich-keck und charmant, aber zugleich auch familienfreundlich ihre „Show der Sieger“ oder Musiksendungen wie die „Echo“-Verleihung über den Bildschirm bringt. Und dann singt sie plötzlich von Selbstbefriedigung, von ekstatischen Nächten und leidenschaftlichen Begegnungen mit Unbekannten. Einen Imagewechsel, sagt die 32-jährige Kim Fisher, die eigentlich Kerstin Poetke heißt, hätte sie keineswegs vorgehabt. Vielmehr eine Erweiterung, wobei das Singen so neu nicht für sie ist.

Genau genommen hat sie damit ihre Karriere eigentlich begonnen, nur in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde es kaum. Mit 20 Jahren stieg die gebürtige Berlinerin als Sängerin in eine sechsköpfige Galaband ein und finanzierte so für sieben Jahre ihr Germanistikstudium und ihr Volontariat beim Berliner Fernsehsender 1 A. 1997 bot man ihr an, ein eigenes Album mit deutschsprachigen Popsongs zu produzieren. Ein Sprung ins kalte Wasser. „Ich hatte wenig Ansprüche. Hauptsache, ich muss nicht von Sonne, Meer und Strand singen.“

Der Start glückte. Gemeinsam mit ihrer Texterin Karin Kuschik erhielt sie – wie zuvor Rio Reiser, Jule Neigel oder auch Pe Werner – gleich den Fred-Jay-Preis, und für das rund 20 000 mal verkaufte Debütalbum „Jetzt!“ gab es auch noch die Goldene Stimmgabel als beste Nachwuchskünstlerin. Doch das Singen blieb ihr „Luxusbaby“. „Hätte ich davon leben müssen, wäre ich vor fünf Jahren bereits verhungert.“ Als ihre alte Plattenfirma EMI sie ganz in die Schlagerecke drängen wollte, gingen die Wege auseinander. Und das zum gerade ungünstigsten Zeitpunkt, denn gerade erst war das zweite (wohl ihr bestes) Album „Sein“ veröffentlicht und ging damit so ziemlich unter.

Mit ihrem neuen, bei Sony erschienenen Album „Follow me“ ging man auf Nummer sicher und setzte ganz auf die laszive Erotiknummer. Auf dem Coverfotos räkelt sie sich mit nackten männlichen Schönheiten oder schaut streng im Latexkostum in die Kamera. Dazu haucht und seufzt und raunt sie ihre chansonartigen Nachtlieder.

Ob so eine sich ein privates Dominastudio neben dem Esszimmer eingerichtet hat und Luxusspielwiese mit Spiegeldecke statt Otto-und-Anna-Normalverbraucher-Doppelbett? Draußen rauscht die Stadtautobahn, drinnen aber herrscht himmlische Ruhe. Hier, über den Dächern von Charlottenburg, lebt die Moderatorin und Sängerin Kim Fisher zusammen mit ihrem Mops Rudi – und mit einer ganzen Hundertschaft von Engeln. Sie sitzen in den Regalen, hängen an der Decke und an den Wänden, räkeln sich in den Ecken und schauen ihr aus dem Bilderrahmen heraus beim Kochen zu.

„Ich glaube an Engel“, erzählt Kim Fisher. Nicht so unbedingt an kleine Wesen mit plüschigen Flügeln, die auf Wolken sitzend Harfe spielen, aber „ich glaube, dass es ein großes Drehbuch für ein jedes Leben gibt und Engel, die uns als Boten Aufgaben für unser Leben bringen.“ Die goldig-goldenen Kitsch-Wonneproppen hat sie auf Flohmärkten zusammengesucht wie vieles in ihrer warm und freundlich eingerichteten Altbauwohnung. Die Farbtöne Rot und Orange überwiegen, von schwiemeliger Rotlicht-Atmosphäre keine Spur. Vielmehr die romantisch-mediterrane Version von Schöner wohnen. Persönlichkeit und öffentliches Image kollidieren wieder mal mit den klischierten Fantasien der Konsumenten.

Im Gespräch erweist sich Kim Fisher als eine Frau, die selbst gegen fremde Journalisten eigentlich branchenunüblich viel zu viel Privates preisgibt. Der Charme ist bei ihr genauso wenig aufgesetzt wie die wie erotische Ausstrahlung. Und mit kühler Berechnung und Imageplanung, sagt sie, hätte ihr Fokus auf die Erotik auch gar nicht zu tun. „Ich bin seit drei Jahren Single und lebe das auch intensiv. Wahrscheinlich ist das jetzt einfach eine sehr sinnliche Phase in meinem Leben.“

Ob das auf Dauer zusammengeht? In die Talkshows hat man sie eifrig eingeladen und über ihr Sexleben plaudern lassen – als Sängerin aber durfte sie sich kaum präsentieren. Und was, wenn den alten Herren in den Programmdirektionen mal doch der Hemdkragen platzt? „Ich weiß nicht, ob die beiden Karrieren wirklich kompatibel sind. Vielleicht werde ich eines Tages meine Rechnung kriegen. Aber es ist wert, es auszuprobieren.“

Am 11. 5., 20 Uhr präsentiert Kim Fisher ihre CD „Follow me“ im Tränenpalast