Eine Haushilfe rund um die Uhr

Familien mit Pflegefall können für drei Jahre Haushaltshilfen aus Osteuropa einstellen. Geregelte Arbeitszeiten gibt es nicht, die Frauen wohnen mit im Haus. Pflegerverbände befürchten billige Konkurrenz und laufen Sturm gegen die neue Verordnung

von ANGELIKA HENSOLT

Lydia macht Frühstück, wäscht Wäsche, bügelt, geht einkaufen kocht und putzt – laut Arbeitsvertrag 38,5 Stunden in der Woche für monatlich knapp 1.000 Euro brutto. Die Polin arbeitet seit einem Monat als Haushaltshilfe bei Helmut Lütje in Pyrbaum. Der allein stehende 75-Jährige hatte vor anderthalb Jahren einen Schlaganfall und ist seitdem pflegebedürftig. „Ich mache hier alles wie eine Hausfrau“, beschreibt Lydia ihren Job.

Seit Anfang Februar ermöglicht eine Änderung im Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungsrecht die legale Beschäftigung ausländischer Haushaltshilfen aus so genannten Drittstaaten in Haushalten mit Pflegebedürftigen. Deutsche Pflegeverbände, Diakonie und Caritas wettern gegen die neue Verordnung. Der wichtigste Punkt: Sie befürchten billige Konkurrenz.

Lydia darf zwar laut Verordnung nicht pflegen, ob sie sich aber daran hält, stellt Thomas Meißner, Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbandes im Gesundheitswesen, in Frage. Er glaubt, dass „diese Haushaltshilfen in den meisten Fällen auch pflegerische Tätigkeiten übernehmen“. Diese Vermutung Meißners ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn immerhin leben die Haushaltshilfen im Haus des Pflegebedürftigen: „Wenn nachts mal was ist, rufen die Familien doch nicht extra den ambulanten Pflegedienst. Da müssen dann die Haushaltshilfen ran“, glaubt Meißner. Die Qualität pflegerischer Leistungen bleibe dabei auf der Strecke.

Auch Lydia hat keine pflegerische Ausbildung, sondern ist gelernte Köchin. „Windeln wechseln oder so was mache ich nicht. Das hab ich nicht gelernt und deshalb muss ich das auch nicht machen.“ Einmal täglich kommt ein ambulanter Pflegedienst ins Haus und versorgt Lütje. „Den Rest macht seine Tochter. Ich nicht“, erklärt Lydia. Genau das legen auch die gesetzlichen Regelungen fest: „Die Beschäftigung muss auf hauswirtschaftliche Tätigkeiten beschränkt sein“, heißt es bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV).

Beim Bundesarbeitsministerium ist man hoffnungsvoll, dass sich die beteiligten Familien an diese Regelung halten. Handlungsbedarf der Bundesregierung sieht Klaus Vater, Sprecher des Ministeriums, deshalb nicht: „Wollen Sie neben jede Dame einen Kontrolleur stellen?“ Die Regelung solle das Dilemma lösen, in dem viele Familien mit einem Pflegefall bisher steckten: „Man ist einfach auf jemanden angewiesen, der immer da ist.“ Für viele Familien sei das bisher ein Problem gewesen. „Ich selbst habe auch einen Pflegefall in der Familie und musste bisher den Weg der Illegalität wählen“, erklärt Vater. Durch die neue Regelung sollen diese Arbeitsverhältnisse jetzt legalisiert und sozialversicherungspflichtig werden.

Die Pflegedienste befürchten allerdings, dass viele Familien die Haushaltshilfe trotz gegenteiliger Behauptungen als günstige Alternative zum ambulanten Dienst einstellen. Bei der Gewerkschaft Ver.di sieht man die Gefahr, dass die ohnehin geringen Löhne in den stationären und ambulanten Pflegeunternehmen noch weiter gedrückt werden.

Meißner aber betont, er fürchte nicht die billige Konkurrenz. Er sorge sich allein um das Wohl der Pflegebedürftigen und auch um das der Haushaltshilfen, sagt er. „Es ist kaum vorstellbar, dass diese Haushaltshilfen eine geregelte Arbeitszeit haben.“

Auch Gisela Martin, Lütjes Tochter, gibt zu, dass eine geregelte Arbeitszeit schwierig zu verwirklichen ist: „Mal hat Lydia mehr Freizeit und mal weniger.“ Und natürlich habe ihre Haushaltshilfe auch mal frei: „Da komme ich dann rüber.“

Für Lydia ist der Job ein Glücksfall: „In Polen ist es sehr schwer, Arbeit zu bekommen. Aber ich brauche Geld, denn mein Mann und ich haben uns ein Haus gekauft.“

Von den 1.000 Euro brutto im Monat dürfte ihr der Arbeitgeber eigentlich noch bis zu 379,25 Euro für Unterkunft und Verpflegung abziehen. Gisela Martin verzichtet jedoch darauf. Lydia kann deshalb fast den vollen Lohn zu ihrem Mann nach Hause schicken. In drei Jahren läuft ihre Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung wieder aus. „Dann will ich nach Polen zurück.“ Und Gisela Martin wird sich nach einer neuen Haushaltshilfe umsehen müssen, „leider“.