Auf der Suche nach Liebe

Über 1.000 Fußball-Fans demonstrieren auf dem Alex für mehr Anerkennung. Angeführt wird der Protest von den „Ultras“. Sie geben sich unpolitisch, die Grenzen nach rechts sind jedoch fließend

von MARKUS VÖLKER

Die Zeiten sind recht hart für den echten Fußballfan. Die Polizei sieht in ihm ein „Sicherheitsrisiko“. Der Verein überzieht seine geliebten Stehplätze einfach mit Sitzschalen. Die Kicker schauen nur aufs Geld und selten in seiner Kurve vorbei. Das Klubpräsidium versteht seine Sprache nicht mehr. Die Medien verkennen ihn als Teil einer „saufenden, randalierenden, rechtsradikalen Bande“. Das Fernsehen sendet die Spiele kaputt. Das halbe Stadion treibt sich in Wichtig-Zonen herum, während er kaum für voll genommen wird. Kurzum: Ein Protest musste her, um auf die Missstände zu weisen, die den gemeinen Fan das Leben schwer machen.

Am Samstag traf sich der echte Fan mit vielen anderen echten Fans auf einer Demo. Der Termin passte gut. Wegen des Pokalfinales waren eh viele Anhänger in Berlin. Die erste gemeinsame, vereinsübergreifende Kundgebung deutscher Stadiongeher sei das, verlautbarte der Veranstalter. „Mit uns Fans ist zu rechnen!“, drohten die Demonstranten und bezeichneten sich „als das wichtigste Kapital“, das so ein Verein haben kann. „Die Vereine schneiden sich über kurz oder lang ins eigene Fleisch“, sagte Demosprecher Daniel Kokscht. Er rügte „Polizeiwillkür“, forderte „Tradition statt Kommerz“ und Stehplätze, weil „kein Chor der Welt im Sitzen singt“.

Folgerichtig richtete sich der Einpeitscher auf dem Lautsprecherwagen auf, um a cappella ins Mikrofon zu schreien: „Wir wollen einfach puren Fußball, denn wir sind die Fans.“ Etwa 1.500 hatten sich auf dem Alex versammelt – die meisten davon so genannte „Ultras“, eine Fanbewegung, die sich erst seit Mitte der Neunzigerjahre gruppiert hat. Sie versteht sich als Avantgarde der Szene, weil die Ultras diejenigen in den Stadien sind, die sich zu inszenieren verstehen, großflächige Choreografien organisieren und als Einpeitscher die Massen instruieren. Durchschnittlich um die 20 Jahre alt, geben sie sich unpolitisch und verstecken sich hinter der Formel „Politik hat im Sport nichts zu tun“ – eine Losung, die angesichts der vielen Lonsdale-T-Shirts und Leibchen mit der Aufschrift „Borussenfront“ oder „Screwdriver“ (rechtsextreme Band), die zu modischen Kurzhaarschnitten getragen werden, hohl wirkt.

Die Ultras grenzen sich in der Szene von den „Normalos“ ab. Die „Kutten“, also üppig mit Vereinsgeschmeide geschmückte Fans, gelten als „unsexy“, ebenso wie die traditionell im Verein organisierten Fans. Die Grenzen zu den „Hools“ sind allerdings fließend, was sich allein am Outfit (Polohemd, Jeans, Sportschuhe) vieler Demo-Besucher ausmachen ließ. Unter den Fangruppen selbst gibt es relativ wenig Kontakte, und auch die Ultras haben sich erstmals im Februar getroffen. Die Koordinierungsstelle der Fanprojekte führte 120 so genannte „Kapos“, die jeweiligen Anführer der bundesweiten Ultra-Gruppierungen, in Frankfurt zusammen. Dort keimte auch die Idee zur Demo, die im nächsten Jahr zum gleichen Zeitpunkt wiederholt werden soll.

Man nutzte die Strukturen, die durch die Kampagne „Pro 15.30 – Kein Kick ohne Fans“ schon vorhanden waren und fand überdies Unterstützung beim Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF), das seinen Presseverteiler, Know-how sowie Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. BAFF siedelt eher im linken Milieu, will jedoch der „15.30“-Initiative so lange „beratend zur Seite stehen, bis es knallt“. Das heißt: bis sich rechtes Gedankengut offen Bahn bricht.

Die Gefahr bestand schon diesmal. Denn auch die Bremer Hool-Band Kategorie C, deren Konzert nahe Berlin am Freitag verboten wurde, rief auf ihrer Homepage zur Demonstration auf. Zudem planten rechtsextreme Anhänger des BFC Dynamo den Protest als Forum zu nutzen. Es blieb jedoch friedlich und bei ein paar „Dynamo“-Rufen. Demo-Mitorganisator Kay Bernstein hofft nun, dass „man auf uns zugeht und Gespräche anbietet“. Er sollte sich nicht im Stadion verabreden. Bernstein wurde unlängst mit einem Stadionverbot belegt, weil er einen Polizisten attackiert haben soll.