Außerirdische und andere Kleingärtner

Die „stern tv“-Reportage „Meine Rose kriegt die Pille“ (21.10 Uhr, Vox) nimmt die Spießbürgerlichkeit des akkurat gejäteten Vereins aufs Korn

„Sagen wa mal, da bin ich fies vor“, sagt Günter, und meint das, was eigentlich ins Katzenklo gehört. Katzenreste, sozusagen. Im Kleingärtnerverein „Blüh auf Bergbau“ in Duisburg streunen nämlich wilde Katzen herum. Und „die kacken überall hin“, echauffiert sich Günter in dem ihm eigenen Pott-Idiom.

Aber normalerweise herrscht Zucht und Ordnung im Schrebergarten. Von eins bis drei ist Mittagsruhe, die durch absolut gar nichts gestört werden darf, nicht mal laut Heckenschneiden ist erlaubt. Die meisten halten sich daran. So wie Ellen und Dieter, Ellen ist über den Daumen gepeilt siebenmal schwerer als ihr Mann, mit einer Stimme wie Romy Haag. „Sie sagt, was ich machen soll, und dann mach ich das“, gibt Dieter zu. Ängstlich klingt es aber nicht. Dabei ist Ellen manchen in der Kolonie suspekt, denn sie düngt mit der Antibabypille. Jürjen trötet sogar: „Wer so was macht, ist für mich außerirdisch.“

Autor Theo Heyen hat mit seinem Kleingärtnerporträt ein schön-schauriges Stück Deutschland eingefangen, eines von jenen, die vertraut sind und einen gleichzeitig gruseln machen. Die Klein- und Spießbürgerlichkeit des akkurat gejäteten Vereins kann einem Schauer über den Rücken jagen. Etwa wenn der Vertreter des Kleingartenverbands zur jährlichen „Begehung“ kommt und die Abstände des Grünzeugs moniert. „Die müssten regulär einen Meter Grenzabstand zum Nachbargarten haben“. – Doch man merkt den ehemaligen Thyssen-Arbeitern, Elektrofummlern und Fliesenlegern nebst Gattinnen an, wie viel Ruhe und Freude sie aus ihrem geordneten Stachelbeerparadies ziehen.

Heyen hat ein Jahr lang gefilmt, sich um originelle, in der spießigen Enge schön komponierte Bilder bemüht und nur die urigsten O-Töne ausgewählt. Seine Protagonisten lässt er dafür auf einer roten Anklagebank mitten im Garten hocken. Er setzt seinen Off-Kommentar sparsam ein, manchmal zu lax in den Formulierungen, sich manchmal zu vertrauensvoll auf die Bilder und den Ruhrpottcharme verlassend. Aber es ist rührend, vor allem in dem Blut-und-Busen-Format der Privatfernsehen-Reportage samt schön albern klingenden „Und nach der Werbung: Ellens Garten wird inspiziert! Günter regt sich über Katzen auf!“-Trailern ein solches Thema untergebracht zu haben. Glück auf, Bergbau. JZ