Schotten-Träume

■ Die ehemalige Kulturhauptstadt Glasgow hat mächtig Eindruck gemacht

Die Zweifler in den eigenen Reihen ist er los: Kultursenator Kuno Böse (CDU) hat sie alle überzeugt vom Projekt Kulturhauptstadt. Glasgow sei Dank. Der Trip in die ehemalige schottische Kulturhauptstadt vor einer Woche hat Bremens KulturpolitikerInnen ganz neue Visionen für's Jahr 2010 eröffnet: Neue Jobs, mehr Touristen, Nettogewinne von mehreren Millionen Euro – plus ein Kulturprogramm für die Hansestadt.

Zwar ist es lange her, dass Glasgow Kulturhauptstadt war (anno 1990). Die Bewerbung als solche liegt inzwischen also fast 20 Jahre zurück. Trotzdem fuhr die Kulturdeputation nach Glasgow. Zum einen, weil die Schottenstadt als Supervorbild für Bremen taugt – zum anderen, weil es sich schon deshalb zur Stimmungsmache fürs Projekt eignet: „Verstehen, begeistern, Begeisterung weitergeben“, sollen die Damen und Herren Politiker, hatte Böse gestern auf der Pressekonferenz der Reisegruppe erklärt. Schließlich sind die Deputierten die ersten, die überhaupt was weitergeben. Und das hat wunderbar funktioniert.

Von Glasgow lernen, heißt nämlich so viel, wie siegen lernen. Die Industriestadt hat den gleichen Strukturwandel durchgemacht wie die Hansestadt (Werftenkrise, 15 Prozent Arbeitslosigkeit, dramatische Einwohnerverluste) – alles sogar noch ein bisschen schlimmer. Bis jemand auf die Idee kam, die Stadt am Clyde zur Kulturhauptstadt anzumelden. Von da ab ging es bergauf, wenn man der Bilanz der einstigen Kulturmetropole glauben kann.

5.000 neue Jobs hat es demnach gegeben. 3,5 Millionen BesucherInnen in den 700 Veranstaltungen zu Kulturhauptstadtzeiten. Auch auch anschließen noch 40 Prozent mehr Touristen, die, statt nur ins hübsche Edinburgh zu reisen, jetzt zunehmend eben auch in Glasgow Station machen. Außerdem ein Nettogewinn im Jahr 1990 von satten 25 Millionen Mark. „Jedes Pfund das dort eingesetzt wurde, wurde vierfach wieder eingenommen“, hat die Deputationssprecherin Carmen Emigholz (SPD) gelernt. Und Böse hat gelernt, dass Glasgow „nach zwölf Jahren immer noch davon profitiert“. Und genug nachhaltige Effekte verspricht.

Die Erfolgsstory aus Schottland wirkte auf die Kulturdeputierten und die Vertreter der Handelskammer sowie des Wirtsschaftsressorts offenbar wie ein Aphrodisiakum. Vor dem Hintergrund der eigenen wirtschaftlichen Probleme und des klammen Kulturetats klangen die Glasgower Leitideen geradezu verheißungsvoll für die BremerInnen: „Die Kultur kann zum Motor der wirtschaftlichen Veränderung werden“, ist Böses Vision. Sie kann der Stadt ein ganz neues Profil geben. Weg vom Image der sterbenden Stadt, weg vom wirtschaftlichen „Sturzflug zum Höhenflug“, wünscht sich Helga Trüpel (Grüne). Und Uwe Nullmeyer, Präses der Handeslkammer, hofft dass die Leute hier wie in Glasgow „wieder stolz auf ihre Stadt werden“.

Eins zu eins zu übertragen indes sind die Erfolge auf die Heimat wahrscheinlich aber nicht. „Das müssen wir alles noch genau ausrechnen“, erklärt Böse. Ob es sich dafür lohnt, gleich einen ganzen Reisebus mit Politikern für fünf Tage nach Schottland zu schicken? Ob sich das Sanierungsland Bremen so etwas überhaupt leisten kann? Bei solchen Fragen verziehen sich die Mienen. „Wenn wir so reden, werden wir nie Kulturhauptstadt“, bekundet Böse nur knapp. Und: Dass es die erste Reise der Kulturdeputation in den vergangenen drei Jahren war, obwohl jedes Jahr offiziell 1.000 Euro dafür bereistünden. „Das kostet eben Geld. Wenn wir das nicht ausgeben wollen, können wir uns in unsere Mauern zurückziehen.“

Aber wer will schon in Bremens Mauern versauern? So war im Grunde nach Glasgow alles klar: Bremen muss sich bewerben, muss Kulturhauptstadt im Jahr 2010 werden. „Wir sind uns fast schon zu einig, die Gespräche müssen ja erst beginnen“, bemerkte Nullmeyer am Rande.

Jetzt will Böse die Senatsvorlage aus der Schublade holen und diskutieren. Die Bürger begeistern, mit dem Fieber „Kulturhauptstadt“. Und als Bonbon obendrauf soll auch der Kulturetat noch deutlich aufgestockt werden, verspricht Böse („nein, ich nenn jetzt keine Summe“), schließlich sollen sich die Kultureinrichtungen entwickeln. Und Kulturhauptstadtfähig werden. Dorothee Krumpipe