Tote in Kaschmir

Nach einem Anschlag steigen die Spannungen zwischen Indien und Pakistan wieder. Washington entsendet Unterstaatssekretärin

DELHI taz ■ Ein Anschlag im indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir hat gestern 33 Opfer gefordert. Die drei Attentäter in Armeeuniformen fuhren als Passagiere in einem Zivilbus bis vor eine Wohnsiedlung von Armeeangehörigen in der Nähe von Jammu unweit der pakistanischen Grenze. In einem Feuergefecht, bei dem auch sieben Passagiere ums Leben kamen, erschossen sie die Wachen beim Eingang. Darauf drangen sie in die Siedlung ein und töteten über zwanzig Soldaten und Familienangehörige, darunter auch Frauen und Kinder. Es dauerte zwei Stunden, bis die eingeschlossenen Attentäter gestellt und erschossen wurden. Eine weitgehend unbekannte Befreiungsorganisation namens „al-Mansurain“ soll sich telefonisch zum Anschlag bekannt haben.

Der Angriff, der schwerste seit dem Attentat auf das Parlament in Delhi vom 13. Dezember 2001, kommt in einem denkbar kritischen Augenblick. Indien hatte für den Parlamentsanschlag Organisationen in Pakistan verantwortlich gemacht, seine Truppen mobilisiert und an der Grenze in Angriffsstellungen vorrücken lassen. Das Versprechen von Präsident Pervez Muscharraf am 12. Januar, alle Formen des Terrorismus zu unterbinden, minderte das unmittelbare Kriegsrisiko.

Doch Indien machte einen Truppenabzug von einem Rückgang der Infiltration von Rebellen aus Pakistan abhängig. Dazu kam es jedoch nicht, und Indien begann in den letzten Wochen, den Druck wieder zu erhöhen. Es führte in Grenznähe Manöver durch und stellte Gefechtsformationen um. In Delhi kursierten Gerüchte, dass die Armee eine Strafaktion über die Waffenstillstandsgrenze hinweg plane.

Die Gerüchte versetzten die Regierung in Islamabad in Alarmstimmung, umso mehr als sie mit den Terroranschlägen gegen Ausländer und dem Überschwappen des Afghanistan-Kriegs bereits unter großem Druck steht. Vor einer Woche sprach der Chef des militärischen Geheimdienstes von Kriegsvorbereitungen der anderen Seite und warnte vor einer Eskalation.

Das plötzliche Ansteigen der Spannung bewog auch die USA, sich einzuschalten. Washington ist in diesem Augenblick mehr als je zuvor auf die Zusammenarbeit Pakistans angewiesen, um fliehende Al-Qaida-Verbände möglichst in Grenznähe zu Afghanistan ausfindig zu machen. Außenminister Colin Powell führte mehrere Ferngespräche mit Präsident Muscharraf und seinem indischen Amtskollegen Jaswant Singh. Am Montag traf dann die für Südasien zuständige Unterstaatssekretärin Christina Rocca in Delhi ein, von wo aus sie am Dienstag nach Islamabad weiterreiste. In einer Stellungnahme verurteilte sie den Anschlag in Jammu scharf und sagte, dies sei genau der Terrorismus, den die USA bekämpften.

BERNARD IMHASLY