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Bush entzweit die PDS

Kaum sitzen die Sozialisten in der Regierung, hört die Opposition gegen die amerikanische Außenpolitik offenbar auf

aus Berlin ROBIN ALEXANDER

An ein paar Berliner Straßenecken hängt noch gammlig an der Wand, worauf die PDS ihre Hoffnungen für die Bundestagswahl setzt. Vergessene Wahlplakate zeigen eine weiße Taube auf blauem Grund, darunter die Worte: „Vernunft. Das Einzige, was zählt.“ Mit der knappen Formel „Gysi plus Frieden“ erklärt sich die PDS ihren Erfolg bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus im November. Die Ablehnung des Afghanistan-Einsatzes habe nicht weniger zum langersehnten Einbruch der Ostpartei in linke Westberliner Wählermilieus beigetragen als der smarte Kandidat.

Auch bei der Bundestagswahl im September soll die Friedensfrage den Erfolg bringen. Deshalb wird die PDS heute im Bundestag die Regierung auffordern, die Bundeswehr aus Afghanistan und der Golfregion zurückzuziehen. Und deshalb mobilisiert die Partei zur großen Friedenskundgebung in der kommenden Woche, wenn der amerikanische Präsident nach Berlin kommt.

Dabei hat sich die PDS allerdings ein Problem eingehandelt. Am 21. Mai bietet die Partei zwar ihre gesamte Prominenz zur Demo auf – aber niemanden, der Regierungsverantwortung trägt. Gregor Gysi, PDS-Star und Berliner Wirtschaftssenator, wird ebenso wenig gegen Bush auf die Straße gehen wie Sozialsenatorin Heide Knake-Werner und Kultursenator Thomas Flierl. „Ich kenne den Unterschied zwischen Regierung und Partei“, sagt Flierl. Beim Mitregieren hört die Opposition gegen amerikanische Außenpolitik offenbar auf.

Als Erster hatte wie immer Gregor Gysi kapiert, wie der Hase läuft. Aus „Termingründen“ könne er nicht an der Kundgebung teilnehmen, ließ der Wirtschaftssenator schon vor Wochen verlauten. Seine Kollegin Heidi Knake-Werner aber hatte unvorsichtigerweise erklärt, sie wolle „auf jeden Fall“ an der Friedenskundgebung teilnehmen.

Eine Steilvorlage für den Koalitionspartner SPD, der in Person des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit die Sozialsenatorin vorführte. Er habe „feste Zusagen“, dass keiner seiner Senatoren gegen Bush demonstrieren werde, teilte Wowereit genüsslich der Presse mit. Um den Eindruck zu verwischen, sie ließen sich vom Koalitionspartner Vorschriften machen, flüchteten die PDS-Senatoren in Ausreden. „Terminnöte“ hatten plötzlich auch Knake-Werner und der Kultursenator Thomas Flierl.

Während die stellvertretende Bundesvorsitzende Petra Pau („Unsere Senatoren machen ihre Position nicht abhängig vom Koalitionspartner.“) tapfer das Offensichtliche leugnet, ist die Basis entsetzt. Ganze Leserbriefseiten füllt der Protest im Neuen Deutschland: „Wie weit kann man sich noch selbst verleugnen?“, schreiben Landtagsabgeordnete aus Sachsen. „So droht auch der PDS der Tag, an dem sie für Linke nicht mehr wählbar ist“, fürchtet ein Genosse aus Bochum. Die Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt nennt das Verhalten der PDS Senatoren „opportunistisch und peinlich“. Gysi, Flierl und Knake-Werner hätten sich „einem Maulkorb gebeugt“. Marquardt: „Hier verlieren wir ohne Not unser Selbstbewusstsein.“

In Berlin übt man öffentliche Selbstkritik. Der 29-jährige PDS-Landesvorsitzende Stefan Liebich wirbt um Nachsicht: „Das ist die Naivität der ersten Regierungsbeteiligung.“ Man habe versäumt, frühzeitig „einen genauen Schlachtplan zu überlegen“, nun aber „sieht es bedauerlicherweise so aus, als stünde im Koalitionsvertrag: Die PDS enthält sich politischer Meinungsäußerungen“. Einer der Architekten des rot-roten Senats in Berlin, der PDS-Fraktionschef Harald Wolf, drohte am Dienstag seinen Abgeordneten schon mit einer Koalitionkrise: „So etwas kann schnell außer Kontrolle geraten.“

Ein letzter Versuch aus dem Parteivorstand, die Senatoren zu einer gemeinsamen Erklärung zu bewegen, scheiterte am Dienstag. Für heute wird dennoch eine „politisch erklärende“ Stellungnahme zumindest von Sozialsenatorin Knake-Werner erwartet. Mit dem Verweis auf Termine „kommen wir nicht durch“, heißt es in ihrem Umfeld. Im Berliner PDS-Vorstand macht gar eine Verschwörungstheorie die Runde: Das Kanzleramt habe Wowereit beauftragt, die PDS-Senatoren vom Demonstrieren abzuhalten, um der PDS das schöne Friedensimage zu verhageln. Selbst Parteichefin Gabi Zimmer ist nervös, gefährdet die Diskussion doch das für den Bundestagswahlkampf unabkömmliche „Alleinstellungsmerkmal Frieden“.

Angela Marquardt spricht aus, was viele auch in der Bundestagsfraktion über den Kotau von Gysi und Co. denken: „Wer sich hier beugt, der kann nicht mehr mit dem Finger auf andere zeigen.“ Heißt: Polemik gegen die grünen Expazifisten und Joschka Fischers Außenpolitik wird so nicht glaubwürdiger. Ältere PDSler wie der stellvertretende Fraktionschef Wolfgang Gehrcke sehen das gelassener: „Ich reklamiere für die PDS nicht ein Erstgeburtsrecht als Antikriegspartei. Wir mussten uns diese Positionen zu hart erarbeiten, um sie für ein Linsengericht einzutauschen.“

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