Essen für die Seele

Bewusste Ernährung und Sport sind gut für das leibliche und das geistige Wohl des Menschen. Eines sollte bei der praktischen Durchführung aber auf keinen Fall vergessen werden: das Vergnügen

„Gerade in den banalen Alltäglichkeiten liegt ein großes Potenzial“

von ROLAND POSSIN

Die Basis einer Wellness-gerechten Lebensweise bildet eine vitalstoffreiche Health-Food-Ernährung. Zu einer gesunden Ernährung gehört allerdings noch viel mehr als der Genuss von Health-Food und Power-Drinks. Nicht nur das, was wir essen, sondern auch wie und in welcher Atmosphäre es tun, wirkt sich auf unser Wohlbefinden aus. Schon allein die innere Verfassung während der Zubereitung hat Einfluss auf die Qualität des Essens. Stehen wir dabei unter Anspannung, so neigt sich der Wellness-Daumen nach unten. Sind wir ausgeglichen und entspannt, richtet er sich nach oben.

Jeder weiß, dass Bewegung wichtig für die Gesundheit ist. Eine viertel bis halbe Stunde täglich ins Schwitzen zu kommen, reicht schon aus, um die Gesundheit zu stärken. Natürlich können wir dazu ins Fitnessstudio gehen. Allerdings sollte das gute Feeling nicht zu kurz kommen. Es lohnt sich, einmal zu vergleichen, ob die Joggingrunde im nahe gelegenen Wald im Gegensatz zur Bewegung auf dem Laufband im geschlossenen Fitnessraum nicht nur kostengünstiger, sondern auch angemessener ist.

Neben einer gesunden Ernährung und ausreichend Bewegung bildet Body-Feeling eine weitere wichtige Säule für unser Wohlbefinden. Bei all dem, was unser Gehirn am Tag verarbeiten muss, kommen oft Körpergefühl und Sinnlichkeit zu kurz.

Viele Wellnessoasen haben die positive Wirkung von Body-Feeling integriert und bieten mittlerweile zahlreiche Massagen in den unterschiedlichsten Variationen an.

Im Grunde lässt sich das Körpergefühl aber in jeder Lebenssituation ganz einfach wieder entdecken. Gerade in den banalen Alltäglichkeiten liegt ein großes Potenzial, es zu erleben.

Die nächste Wellness-Psycho-Fitnesssäule trägt den Namen Psycho-Fitness. Wissenschaftliche Untersuchungen zufolge fördert permanenter Stress eine Schwächung des Immunsystems, was gut daran zu erkennen ist, dass man sich in Phasen der geistigen Anspannung schnell eine Erkältung zuzieht. Entsprechend wichtig ist es, die Aufgaben, die das Leben stellt, mit einer gewissen Lockerheit anzugehen.

In Wellness-Kuren unterschiedlichster Façon, von ayurvedisch bis chinesisch, kann man seinen Geist baumeln und sich richtig verwöhnen lassen, um seine Kopflastigkeit für eine Weile beiseite zu schieben und sich zu entspannen. Es muss aber gar nicht eine teure Kur sein, um seinen Geist wieder fit zu bekommen. Die Lösung des Umgangs mit dem alltäglichen Stress liegt in der Einfachheit. Nämlich mit seiner Aufmerksamkeit ganz bei der Sache zu sein, mit der man sich gerade beschäftigt. Das heißt zum Beispiel, während des Essens ganz beim Speisen zu sein und nicht bei anderen Dingen, die einen sonst noch beschäftigen.

Die letzte Wellness-Säule ist das Souling. Erst mit der Einbeziehung unserer seelischen Bedürfnisse gelangen wir auch wirklich in die Tiefe unseres Wohlbefindens. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es in ist, fit und fun zu sein. Doch wer entscheidet eigentlich, wann Wohlbefinden und Schönsein anfangen und wo sie aufhören? Dies kann letztendlich nur jeder Einzelne für sich selbst beantworten. Natürlich gibt es von außen Anregungen und Hilfestellungen, unser Souling zu entdecken. Interessant wird es allerdings erst dann, wenn wir damit anfangen, aus uns selbst heraus unsere seelische Wellness zu entwickeln.

Hier bietet sich ein Vergleich an. Bauen Sie spaßeshalber einmal einen Ärgertag in Ihr Leben ein. Ärgern Sie sich über alles, was Ihnen den Tag vermiest: über das Wetter, die Politiker, die Nachbarn oder die ungeputzte Wohnung. Regen Sie sich von morgens bis abends auf. Den nächsten Tag verbringen Sie dann damit, alles, was Ihnen widerfährt, aus einer heiteren Sicht zu betrachten. Und dann vergleichen Sie. Wie fühlten Sie sich am Ärgertag, wie am Freudentag? Es kommt nicht darauf an, dass die eine Variante besser ist als die andere. Es geht dabei um die Bewusstmachung. Denn hier liegt die Wurzel unserer seelischen Wellness verborgen.

Wir sind am Ende unsere Wellnessreise angekommen. Nach dem ausführlichen Studium des Textes wird es Ihnen jetzt sicherlich ein Leichtes sein, sich von morgens bis abends Wellness-konform zu verhalten. Angefangen beim heiteren Aufstehen, einem anschließenden Waldlauf an der frischen Luft, über ein vitalstoffreiches Frühstück und einer von einem Lächeln geprägten Zeit am Arbeitsplatz bis zu einem abendlichen Besuch eines Philosophievortrags. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, die Notbremse zu ziehen! Bei aller Liebe zur inneren und äußeren Pflege sollte der Spaß nicht zu kurz kommen. „Locker bleiben!“, heißt die Devise. Warum nicht mal alle dreizehn gerade sein lassen und über die Stränge schlagen? Wie wohltuend kann es doch sein, einmal richtig abzuhängen und einfach nichts zu tun; das zu essen, worauf man gerade Lust hat, genervt zu sein, wenn es angebracht ist. Es ist vollkommen in Ordnung, statt mit einem fröhlich Lächeln den Morgen auch einmal mit einem Murren zu begrüßen.

Roland Possin ist Ernährungswissenschaftler und arbeitet als freier Publizist. Sein neuestes Buch „Essen Sie sich gesund! Von Allergie bis Übergewicht“ ist beim Hugendubel Verlag erschienen. Er arbeit momentan an seinem ersten Roman, einem Krimi über Klonversuche.