BEI DER SPÄTABTREIBUNG SCHEITERTE DIE CDU AM RECHT AUF WISSEN
: Keine Allianz mit den Lebensschützern

Die gängige Praxis der Spätabtreibung wird seit Jahren von allen Fraktionen beklagt. Sie scheint umso gravierender, weil gleichzeitig so verbissen um den Embryonenschutz gekämpft wurde. Ursprünglich hatte eine interfraktionelle Arbeitsgruppe im Bundestag die Lücke im Paragraf 218 schließen sollen. Sie war dadurch entstanden, dass „geschädigte“ Föten nach medizinischer Indikation, die nur auf die Konfliktlage der Frau abhebt, ohne Fristbegrenzung abgetrieben werden können. Dass die CDU nun allerdings allein mit einem Antrag vor das Parlament trat und scheiterte, ist gewiss nicht nur auf Wahltaktik zurückzuführen.

Seit Jahren beklagen Juristinnen, Gesundheitspolitikerinnen und Behindertenorganisationen die Ausweitung der Pränatalen Diagnostik (PND) im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien: Immer mehr Frauen durchlaufen immer häufiger das genetische Screening, geraten in eine Diagnosespirale und unter Entscheidungsdruck, der weder durch die informierte Zustimmung der Betroffenen noch durch einen ärztlichen Behandlungsauftrag abgedeckt ist – weil der Diagnose in aller Regel keine Therapie folgen kann. Würden die Frauen umfassend über Ziel, Risiko und Alternativen zur PND aufgeklärt werden, wäre diese nur noch in begründeten Ausnahmefällen möglich und Spätabtreibung außerordentlich selten.

Doch Schwangere haben nicht nur ein Recht auf Nichtwissen, sondern auch ein Recht auf Wissen; nicht nur über den Fötus, sondern auch über die Möglichkeiten, technischen Grenzen und ethischen Folgen von Diagnosetechniken. Der Vorschlag, den Zeitpunkt der Abtreibung möglichst weit nach vorne zu verlegen, etwa durch den Gencheck im Reagenzglas, ist jedenfalls kein Ausweg aus dem Entscheidungsdilemma der Frauen. Hätte die CDU den frauenpolitischen Aspekt in ihrem Antrag betont, statt auf Lebensschutz und ärztlicher Kontrolle zu beharren, hätte sie zumindest die Frauen in der Gesundheitsbewegung auf ihrer Seite gehabt. So offenbart sich die „unheilige Allianz“ von Lebensschützern und Feministinnen bei konkreter Betrachtung als Trugbild. ULRIKE BAUREITHEL