Die Hungernden zahlen die Zeche

In Malawi wütet eine Hungerkatastrophe. Zugleich stoppt der IWF seine Gelder für Armutsbekämpfung

BERLIN taz ■ Dass die Lage in Malawi dramatisch ist, kann selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht leugnen. „Malawis derzeitige Ernährungslage ist ernst, und später dieses Jahr werden große Knappheiten erwartet“, berichtete die letzte IWF-Mission im Land am Montag. „Dringendes Handeln ist nötig, um Hungertote zu vermeiden.“

Am gleichen Tag sagte der örtliche IWF-Leiter Alfred Krammer, Malawi werde bis auf Weiteres kein Geld mehr erhalten. Die bereits bewilligten Gelder für Armutsbekämpfung blieben eingefroren, bis die Regierung „ernsthaften Fortschritt“ bei der Kürzung der Staatsausgaben mache. Vor Dezember wird keine Änderung dieser Politik erwartet.

Zahlreiche Malawier dürften den Dezember nicht mehr erleben. Malawi, das kleine Land zwischen Mosambik und Sambia im südlichen Afrika, ist Epizentrum einer sich ausbreitenden Hungersnot in der Region (siehe Kasten). Malawische Presseberichte behaupten, 70 Prozent der zehn Millionen Einwohner hätten zu wenig zu essen. UN-Angaben zufolge sind immerhin knapp zehn Prozent – bis zu eine Million Menschen – von der Nahrungsmittelkrise betroffen und von Lebensmittelhilfe abhängig.

Malawi hatte sich im Dezember 2000 für die Schuldenerlassinitiative HIPC von Weltbank und IWF qualifiziert. Die Geldgeber bewilligten daraufhin 55 Millionen Dollar für Armutsbekämpfungsprogramme der Regierung von Präsident Bakili Muluzi. Nach acht Millionen Dollar wurden die Zahlungen eingestellt. Als Grund nannte der IWF unter anderem „mangelnde Ausgabendisziplin“.

Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt. Über die Hälfte der Bauernhaushalte hat weniger als das UN-empfohlene Minimum von einem Hektar Land zur Verfügung. Das führt dazu, sagt Malawis Statistisches Amt, dass „über die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 140 Dollar im Jahr lebt“. Unterernährung sei schon immer ein Problem, und die Kindersterblichkeitsrate sei eine der höchsten der Welt: 238 von 1.000 Kindern erreichen ihren fünften Geburtstag nicht.

Die Regierung Muluzi hat sich bemüht, daran etwas zu ändern. Im vergangenen Jahr beschloss sie eine viel gepriesene Landreform, die die Besitzrechte armer Bauern stärkt, und begann mit der kostenlosen Vergabe von Saatmitteln. Zugleich steht die Regierung jedoch wegen Korruption in der Kritik. Inländische Kritiker behaupten, ein Drittel des Staatshaushalts würde regelmäßig veruntreut. Im November 2001 suspendierten die EU und die USA ihre Entwicklungshilfe für Malawi, nachdem sie nicht nachvollziehen konnten, was mit ihrem Geld passiert war.

Warnungen vor einer Hungersnot gibt es seit einem Jahr, als starke Regenfälle einen Großteil der Ernte im Süden des Landes vernichteten. Daraufhin verkaufte die Regierung ihre Maisvorräte, um verschwundene Staatsgelder zu ersetzen und dem IWF bessere Zahlen vorlegen zu können. Noch am 14. Februar dieses Jahres bestritt Präsident Muluzi, dass es eine Hungersnot in Malawi gebe. Am 27. Februar erklärte er wegen der Lebensmittelknappheit den nationalen Notstand und rief zu ausländischer Hilfe in Höhe von 21,6 Millionen Dollar auf.

Der IWF-Beschluss, Malawi kein Geld mehr zu geben, ist allerdings in dieser Lage nicht hilfreich. Das ausländische Misstrauen gegen die Regierung Muluzi hat dazu geführt, dass sie von den angeforderten 21,6 Millionen Dollar weniger als fünf Millionen bekommen hat. In einigen Landesteilen sind Korrespondentenberichten zufolge komplette Dorfgemeinschaften vom Hungertod bedroht. Wer fit genug ist, zieht weg und sucht Arbeit in den Städten, in Sambia oder Mosambik. Dass der IWF seine zurückgehaltenen Gelder für Hungerhilfe einsetzen könnte – auf eine solche Idee kommt offenbar keiner.

In Malawi selbst ist es eher die Regierung, die jetzt Objekt der härtesten Kritik wird. Die Tageszeitung Nation kommentierte: „Verlangt der IWF von uns zu viel? Nein. Ist es unmöglich für eine Regierung, sich an ihre eigenen Haushaltsvorgaben zu halten? Nein. Was ist dann das Problem? Unsere Haltung zu öffentlichen Geldern. Leute, die öffentliche Gelder veruntreuen, sollten daran denken, dass sie mit Millionen Menschenleben spielen“.DOMINIC JOHNSON