Vertagte Entscheidung

THW Kiel schlägt HSG Nordhorn mit 27:22 und erobert sich damit die Tabellenspitze

KIEL taz ■ Die Entscheidung wurde vertagt, die Vorzeichen aber vertauscht: War es vor der Partie am vorletzten Spieltag der Handball-Bundesliga am Sonntag noch die HSG Nordhorn, die durch ihren Ein-Punkte-Vorsprung beste Option auf die deutsche Meisterschaft besaß, ist es nun, nach seinem 27:22-Sieg über Nordhorn, der THW Kiel, der die Nase um einen Zähler vorne hat. Nächste Woche, im letzten Auswärtsspiel in Flensburg, können die „Zebras“ somit aus eigener Kraft alles klar machen und nach dem EHF-Cup auch die Meisterschaft gewinnen.

„Ich habe heute ein sehr gutes Spiel gesehen“, zeigte sich denn auch Kiels Trainer Zvonimir Serdarusic zufrieden und – für ihn eher ungewöhnlich – sogar zu Scherzen aufgelegt. „Meine Spieler haben sich eben in der Kabine beschwert, dass ich sie diese Saison so selten gelobt hätte“, verriet Serdarusic da und gelobte Besserung: „Ich habe ihnen versprochen, dass ich sie lobe, wenn sie am Samstag gegen Flensburg gewinnen.“ Was allerdings auch nötig sein wird, denn Nordhorn empfängt den VfL Gummersbach und hat somit zumindest formal die leichtere Aufgabe.

Fest steht auf jeden Fall: Die stärkste Liga der Welt bietet ein Finale, wie es spannender und dramatischer und hochklassiger nicht sein könnte. Und hochklassig war auch das vorweggenommene Endspiel zwischen dem THW und der HSG, wenngleich die Stimmung im Vorfeld nicht nur durch das sportliche Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Klubs angeheizt worden war. Die Tatsache, dass Nordhorn drei Tage zuvor in zweiter Instanz trotz eines Finanzlochs von 1,8 Millionen Euro doch noch die Lizenz für die nächste Saison von der Ligavereinigung (HBVM) erhalten hatte und Kiels Manager Uwe Schwenker als Folge dessen als Ausschussmitglied der HBVM zurückgetreten war, hatte für allerlei zusätzlichen Zündstoff gesorgt. Zumal Schwenker nach Vorlage des Nordhorner Sanierungskonzeptes bekannt hatte, das präsentierte Zahlenwerk „in Frage“ zu stellen. Bedenken, mit denen der Kieler freilich nicht alleine steht.

In der Liga wird schon seit längerem bezweifelt, dass der in Nordhorn angesammelte Schuldenberg tatsächlich ausschließlich das Resultat einer Fehlkalkulation beim Hallenneubau ist – und nicht vielmehr das Ergebnis einer unverhältnismäßigen Personalpolitik. So kaufte die HSG, um nur ein Beispiel zu nennen, die schwedischen Nationalspieler Ljubimir Vranjes und Peter Gentzel aus ihren laufenden Verträgen bei Granollers in Spanien heraus.

Und gerade ihrem Weltklassse-Torhüter Gentzel hatte es Nordhorn auch in der Kieler Ostseehalle zu verdanken, dass die Partie bis zum 16:16 in der 38. Spielminute völlig offen stand. Insbesondere bei Würfen von den Außenpositionen und vom Kreis schienen dem schwedischen Hünen bisweilen noch ein weiteres Paar Arme und Beine zu wachsen. Erst Mitte des zweiten Durchgangs, als Kiel die Drehzahl nochmals erhöhte, konnte auch Gentzel die Niederlage in dieser hochklassigen Partie nicht mehr verhindern.

Hervorzuheben gilt es aber auch einen weiteren Protagonisten: Der unlängst zum Jahrhunderthandballer gekürte Magnus Wislander bestritt nach zwölf Jahren THW sein letztes Punktspiel vor heimischem Publikum. Sein endgültiger Abschied wird jedoch ebenso vertagt wie die Entscheidung in der Meisterschaft: Die wird am Sonnabend vergeben – und das internationale Staraufgebot zu Wislanders Abschiedsspiel findet sich am 1. Juni in der Ostseehalle ein.

ANKE BARNKOTHE