: Action mit Lucy Tshabalala
Die Literarisierung geht weiter: Drogenkuriere, Drogenfahnder und charismatische Gangster bilden das Personal in Norman Ohlers neuem Roman „Stadt des Goldes“
Im vergangenen Herbst hatte Norman Ohler sechs Jahre nach seinem Debütroman „Die Quotenmaschine“ sein zweites Buch „Mitte“ veröffentlicht. Passend zum Buch, in dem die Droge Ketamin eine Rolle spielte, hatte er einen virtuellen Drogenshop im Internet betrieben und Anfang des Jahres einige „Mitte“-Parties mit denen veranstaltet, die er in seinem Roman literarisiert hatte: „Bonz“ zum Beispiel, einem geheimnisumwitterten Barbetreiber um die 50, der schlecht gelaunt in einem Harlekinskostüm hinter dem Tresen gestanden hatte, und „Klinger“, das war der Dichter irgendwie selber, der in seinem Schreiben nicht recht zu denen passt, die als Popliteraten eine Weile furorisierten.
Eher von Romantik und Expressionismus beeinflusst, verwischen bei Ohler die Grenzen zwischen Fiktion und Literatur, und er versuchte die Wirklichkeit mit einem Schreiben zu infizieren, das selber echt sein wollte. Das war auch problematisch. Jemand, dessen wirkliches risikoreiches Leben der Autor in seinen Romanen literarisiert hatte, fühlte sich später ausgebeutet und ging nicht in das Café zu den Parties, die sozusagen Simulationen zweiten Grades waren.
Egal. Gestern vor dem Frühstück, als die Sonne auf den grauen Teppich in mein Vormittagszimmer fiel, hatte ich die letzten fünfzig Seiten des neuen Romans von Norman Ohler auf meinem grünen Ikea-Stuhl gelesen. Den Stuhl hatte ich verbilligt gekauft, als ich bei Ikea als Einkaufswagenschieber gearbeitet hatte. Das neue Buch von Norman Ohler heißt „Stadt des Goldes“ und erzählt von den Abenteuern eines jungen Berliner Journalisten – Roman Kraner –, der im Auftrag der Zeitschrift Hustler nach Johannesburg gekommen ist, um eine Reportage zu schreiben. Die erste deutsche Ausgabe des US-amerikanischen Männermagazins war 1998 erschienen. Der damalige Chefredakteur Uwe Hasenfuss, der inzwischen für Prinz-Düsseldorf arbeitet, hatte damals um junge deutsche Schriftsteller geworben und taucht übrigens auch in dem Buch „Abfall für alle“ von Rainald Goetz auf. („Ich erkläre das Wort pink shot […] und bestelle Max den Gruß von Hustler-Chefredakteur Hasenfuss.“)
Egal: Wie der Autor, so war auch der Held des Romans schon Anfang der 90er-Jahre in Südafrika gewesen, allerdings im Auftrag von Geo. In Johannesburg trifft er die junge Lucy Tshabalala, die er damals kennen gelernt hatte. Die schöne Frau verbrachte die Zwischenzeit in einem amerikanischen Knast, weil sie als Drogenkurier aufgeflogen war und sucht in Ponte City, „dem inoffiziellen Wahrzeichen der Stadt“, einer gigantischen 54 Stockwerke hohen Wohnanlage, Umshlanga, einen charismatischen Gangster, für den sie damals unterwegs gewesen war.
Ein durchaus sympathischer südafrikanischer Drogenfahnder ist die vierte Hauptfigur des Romans, der anfangs so ähnlich genervt hatte wie die frühen Bücher von Tom Woolfe. Zu klischeehaft schienen mir die Bilder und Metaphern, zu wenig durchgearbeitet die Wirklichkeitsmomente, die Ohler zum Vorbild genommen hatte; zu unterschiedlich waren die Intensitätslevel zwischen den ultrabanalen echten E-Mail-Wechseln zwischen Kraner und Hasenfuss und den actionorientierten Passagen des Buchs. Außerdem wirken die aus der Perspektive des Gangsters geschriebenen Passagen irgendwie unglaubwürdig. Und nachdem Ohler weltweit den ersten Internetroman veröffentlicht und danach weltweit den ersten deutschen Ketaminroman geschrieben hatte, kam es einem fast streberhaft vor, nun die ersten deutschen Romanpassagen über die zur Zeit noch sehr insiderische Droge GBH zu lesen.
Nach einer Weile hatte der Roman trotzdem viel Spaß gemacht, man überlas die Klischees, ließ sich auf das Buch wie auf einen „Tatort“ ein, und wie nach den meisten „Tatorts“ war man am Ende zufrieden, wieder eine action- und verknüpfungsreiche Geschichte gelesen zu haben und ist gespannt auf’s nächste Werk. Angeblich soll Ohler noch acht mehr oder weniger fertige Romane in der Schublade haben. DETLEF KUHLBRODT
Norman Ohler: „Stadt des Goldes“. Rowohlt Verlag, Reinbek 2002.253 Seiten, 13 €
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen