: Zeitvertreib mit Harald Schmidt
Regisseur Matthias Hartmann hat den TV-Star beruhigend unauffällig ins Spiel integriert: Beim Bochumer Gastspiel von Samuel Becketts „Warten auf Godot“ im Thalia Theater hat sich das Ausharren gelohnt
Ein Mann schlurft mit gebeugtem Oberkörper auf die Bühne, den Hut tief ins Gesicht gezogen, einen Strick um den Hals. Applaus brandet auf. Warum diese Ehrerbietung? „Peinlich!“, tönt es von hinten. Schlurft der Mann so, wie noch nie jemand schlurfte? Spielt er den Lucky so, wie man ihn noch nie in einer Inszenierung von Becketts Warten auf Godot gesehen hat?
Nein. Aber der Mann heißt Harald Schmidt, und da ist es anscheinend für viele piepegal, was er auf der Bühne macht. Hauptsache, der TV-Entertainer ist da, es gibt etwas zu lachen, und die Zeit vergeht. Warten auf Schmidt. Seit Wochen war das zweitägige Gastspiel des Bochumer Schauspielhauses im Thalia Theater ausverkauft. Ob sich für Schmidt-Show-Fans das Warten gelohnt hat? Der TV-Star spielt auf jeden Fall tadellos. In der Rolle des Knechts Lucky steht er meist gebeugt da und wartet auf die Anweisungen seines Herrn Pozzo (Fritz Schediwy), tanzt und denkt auf Bestellung. Befürchtungen, dass er sich unangemessen in den Vordergrund spielen oder von Regisseur Matthias Hartmann als Aushängeschild oder Medienkritikhansel benutzt werden würde, laufen ins Leere.
Stattdessen gibt es einen wunderbaren Theaterabend. Die Bühne ist eine schiefe Ebene, darüber steigt der Mond zweimal auf und sinkt wieder. Zwei Tage und zwei Akte, in denen die Landstreicher Wladimir und Estragon vergeblich auf Godot warten. Michael Maertens gibt den Wladimir mit einer unglaublichen Bandbreite: Er ist unbeholfen und exaltiert, verhalten und zappelig, nachdenklich und affektiert. Er verdreht seinen Körper ins Groteske und lässt die Stimme ins Kieksige kippen.
Auch Ernst Stötzner als sein langjähriger Weggefährte Estragon, mit dem ihn eine Art Hassliebe verbindet, läuft zu Höchstform auf. Er ist der Dumpfere, Aggressivere und rührt durch zärtliche Anwandlungen. Eine Freude, den beiden beim Philosophieren, Streiten und Sich-Versöhnen zuzuhören – und ihren Bewegungskapriolen zuzusehen. Wenn sie den Nonsens-Monolog vom langhaarigen Lucky stoppen wollen, zupfen sie erst an dessen Ärmel, dann knuffen sie ihn, boxen ihn, bespringen ihn. Die Zeit vergeht schnell während der dreistündigen Inszenierung. Darum geht es ja schließlich in Warten auf Godot: irgendwie die Zeit herumzubringen, die zwischen Geburt und Tod liegt. Warum nicht im Theater und warum nicht mit Warten auf Schmidt. Karin Liebe
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