Einer, der die Sache regelt

FDP-Chef Guido Westerwelle will es allen recht machen, auch den Rechten – niemand laviert so virtuos wie der Liberale

von BETTINA GAUS

Das kann Guido Westerwelle: alle glücklich machen. Mit seiner gestrigen Pressekonferenz dürfte ihm das erneut geglückt sein. Wer manche Töne bei den Liberalen mit Unbehagen verfolgte, der kann sich jetzt entspannt zurücklehnen. Ebenso wie diejenigen, die schon lange finden, dass zur neuen deutschen Normalität auch ein ganz normales Maß an Judenfeindlichkeit gehört.

Der umstrittene Landtagsabgeordnete Jamal Karsli, einst bei den Grünen, wird nun doch nicht FDP-Mitglied, und Westerwelle hat gesagt, dass diejenigen „ein schäbiges Spiel“ betreiben, die seiner Partei Antisemitimus vorwerfen. Beruhigend. Allerdings können sich – mit einem gewissen Augenzwinkern – auch Verfechter der Ansicht bestätigt fühlen, dass die Juden an ihrem Unglück vor allem selber schuld sind. Immerhin darf der parteilose Karsli in Düsseldorf auch künftig in der FDP-Landtagsfraktion mitarbeiten, und Guido Westerwelle findet darüber hinaus, dass sich sein Parteifreund Jürgen Möllemann und der jüdische Moderator Michel Friedman „in nichts“ nachstehen. Was „die Temperamente angeht“.

Zur Erinnerung: Der nordrhein-westfälische FDP-Politiker Möllemann hatte im ZDF über den Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden gesagt, er „fürchte“, kaum jemand verschaffe den Antisemiten mehr Zulauf als „in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art“. Anders ausgedrückt: Wenn der Jud sich mausig macht, dann braucht er sich über die entsprechenden Reaktionen nicht zu wundern. Oder auch: Die Zeiten sind vorbei, da jüdische Deutsche glaubten, ebenso penetrant auftreten zu dürfen wie andere Leute.

Sowohl Jamal Karsli als auch Jürgen Möllemann hatten kürzlich Verständnis für palästinensische Selbstmordattentäter bezeugt. Dazu Westerwelle: Karsli habe sich „auf inakzeptable Weise“ geäußert, solange er Mitglied der Grünen gewesen sei. Und Möllemann? „Die Äußerungen von Herrn Karsli stammen aus der Zeit, als er Mitglied der Grünen war“, erklärte der FDP-Vorsitzende. Und die von Herrn Möllemann?? „Zehn Jahre lang konnte Herr Karsli seine Äußerungen als Grünen-Abgeordneter machen. In der FDP konnte er nicht eine Woche bleiben.“ Sagte Guido Westerwelle. Wie ist das mit Jürgen Möllemann???

Dazu schweigt der FDP-Vorsitzende. Aus gutem Grund. Möllemann ist umstritten, aber er fängt Stimmen. Deshalb stand seit Hans-Dietrich Genscher – dem Ziehvater des Fallschirmspringers – jeder FDP-Vorsitzende vor der schwierigen Aufgabe, den Populisten einzuhegen. Er kann für seine Partei ungemein nützlich sein. Zugleich aber wird er ihr stets gefährlich, wenn er seine Tendenz zur Selbstüberschätzung nicht mehr in den Griff bekommt.

Bislang schien Guido Westerwelle damit gut leben zu können. Ohnehin wirbt er um Sympathien nach allen Seiten: Den Bundespräsidenten hat er angegriffen, weil dieser meinte, der Zufall des Geburtsorts sei kein Anlass zu individuellem Stolz. Gegen die Koalition seiner Partei mit Ronald Schill in Hamburg hat er niemals öffentlich Stellung bezogen. Dennoch gilt Westerwelle weiterhin als Liberaler. Wie macht er das eigentlich?

Auf dem Parteitag, der ihn zum Vorsitzenden kürte, lobte Westerwelle den internen Rivalen Möllemann über den grünen Klee. Und erteilte zugleich dessen Wunsch nach einer eigenen FDP-Kanzlerkandidatur eine Absage. „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt – und das bin ich“, sagte er seinerzeit. Das kam so gut an, dass vor ein paar Wochen nur wenige gefragt haben, warum der Vorsitzende seine Ansicht auf einmal geändert hatte.

„Andere reden. Ich handle“, hat Westerwelle gestern gesagt. Gemeint war: Ich fechte keinen Machtkampf aus. Mir ist jede Stimme lieb, die ich bekommen kann. Wie absurd manche markigen Sätze des FDP-Vorsitzenden vor diesem Hintergrund sind, wird deutlich, wenn Westerwelle befindet: „Selbstmordattentäter – das ist nicht akzeptabel. Das muss verfolgt werden.“

Die Forderung klingt gut. Aber was hat man sich darunter eigentlich vorzustellen? Ach, ist doch egal.