Island will wieder Wale schlachten

So zerstritten war die Internationale Walfangkommission noch nie: Im japanischen Shimonoseki stritten Walfanggegner und -befürworter. Weil den Isländern die Vollmitgliedschaft verweigert wurde, drohen sie, bald wieder Wale zu fangen

aus Tokio ANDRE KUNZ

„Vergiftet“, nannte ein europäischer IWC-Kommissar die Stimmung am 54. Jahrestreffen der internationalen Walfangkommission im westjapanischen Shimonoseki. Das war kurz nach der Abstimmung über einen Antrag der USA und Russlands mit dem die Fangquoten für den traditionellen Walfang ihrer Naturvölker für die nächsten fünf Jahre festgelegt werden sollten. Abgelehnt! Die Inuit, die Makahindianer und das Volk der Tschukotka dürfen ihre Harpunen nicht mehr für die Jagd auf Wale im Rahmen der traditionellen Subsistenzwirtschaft hervorholen. 1:0 für die Wale.

Das dürfte voraussichtlich die letzte wichtige Abstimmung im heillos zerstrittenen IWC in diesem Jahr gewesen sein. Teilnehmer erwarten vom heutigen Versammlungstag keine substantiellen Ergebnisse mehr, da sich Walfanggegner und -befürworter in diesem Treffen gegenseitig in jedem Abstimmungspunkt blockierten. Japan und Norwegen, die Hardliner für die Jagd auf die Meeressäuger, standen auf der einen Seite, die Europäer, Australien, Neuseeland und die USA auf der anderen. Der Graben zwischen den beiden Lagern ist so breit geworden, dass gemässigtere Länder nicht mehr an einen Konsens in irgendeiner Frage glauben wollen. Der IWC steht vor der Zerreißprobe.

Begonnen hatte es mit dem überraschend klaren Entscheid, Island die Vollmitgliedschaft im IWC zu verweigern. Die Delegation stürmte darauf aus dem Treffen und drohte, den kommerziellen Walfang ohne Zustimmung des IWC wieder aufzunehmen. Eine Drohung, die sie schon vor einem Jahr in London gemacht und dann doch nicht umgesetzt hatte. Die bange Frage schwebte über dem Jahrestreffen, ob die traditionellen Waljäger nach der demütigenden Niederlage in Shimonoseki ihre Harpunen nun definitiv hervorholen. Setzt Island seine Drohung um, werden die Verhandlungen im IWC sinnlos und für die Wale bedeutete dies eine vernichtende Niederlage von 0:10.

Gerade für Gastgeber Japan lief das Jahrestreffen nicht nach seinen Vorstellungen. Ursprünglich glaubte das Land, bei diesem Treffen das 1986 verhängte Moratorium für den kommerziellen Walfang zusammen mit seinen Verbündeten aufweichen zu können. Die Strategie war ausgelegt. Erst einen Antrag auf geheime Abstimmungen stellen. Abgelehnt! Dann mit neuen Verbündeten aus dem Lager der Karibik und den Entwicklungsländern die Aufhebung einer Schutzzone im Pazifik durchsetzen. Abgeschmettert! Dann für sich die Quote für küstennahe Walfänge um 50 Zwergwale hochsetzen. Nochmals abgeschmettert.

Darauf rächten sich die Japaner mit der Ablehung des Antrags für die Naturvölker an den USA und Russland. Unter dem Strich sieht es für die Wale in diesem Jahr wohl so aus, dass Japan seine Fänge unter dem Deckmantel für „Forschungszwecke“ um rund 50 Seiwale auf insgesamt nahezu 700 Wale ausweiten wird. Norwegen bleibt wohl bei seinen rund 650 Fängen und die Naturvölker werden sich ihre Meeressäuger ohne IWC-Zustimmung jagen und damit die Glaubwürdigkeit des Gremiums ebenfalls untergraben. Also doch eine Niederlage für die bedrohten Meeressäuger.