Im Schulkeller ein Schießstand

Der Gemeinderat hat zugestimmt und die Schulleiterin keine Einwände erhoben: In Zscherndorf will der örtliche Schützenverein gerne Schießübungen im Keller einer Schule abhalten. Der Kultusminister von Sachsen-Anhalt ist geschockt – aber machtlos

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

Das Kollegium der Grund- und Sekundarschule der Gemeinde Zscherndorf im sachsen-anhaltischen Kreis Bitterfeld erfuhr erst am Freitagmorgen von dem abenteuerlichen Vorhaben. Im Keller ihrer Schule will der örtliche Schützenverein einen Schießstand einrichten. Der Keller sei „hervorragend geeignet“, befand Wolfgang Henschel, Präsident der Zscherndorfer Schützen und zugleich parteiloser stellvertretender Bürgermeister. „Wir hoffen, dass es nicht dazu kommt“, meinte hingegen eine verärgerte Lehrerin gestern gegenüber der taz.

Der Verein hat derzeit keine eigene Trainingsmöglichkeit am Ort. „Für die zunehmende Gewalt in der Gesellschaft sind bestimmt nicht die Schützenvereine verantwortlich zu machen“, argumentierte Henschel. So sah es offenbar auch eine Mehrheit im Gemeinderat, als sie dem Vorhaben zustimmte. Georg Kuropka, Mitglied des Kreiselternrates und für die CDU im Gemeinderat, protestierte allerdings. „In Erfurt wurden Menschen in der Schule erschossen und hier soll das Schießen in der Schule geübt werden“, zitiert ihn die Mitteldeutsche Zeitung. Schulleiterin Elvira Springer hatte gegen die Ballerei im Schulkeller ebenfalls nichts einzuwenden, wenn alle Vorschriften eingehalten werden. Ihre Kollegen aber informierte sie offenbar nicht von dem Vorhaben, bevor sie sich krank meldete. „Die Nerven liegen blank bei uns“, hieß es gestern aus dem Kollegium angesichts der erwarteten Visitation des Landrates.

Das Innenministerium in Magdeburg verlangte bis Freitagmittag einen Rapport vom Regierungspräsidium Dessau. Dessen Sprecher Andreas Borschel sprach spontan von einem Skandal und äußerte persönliche Genugtuung, dass der Fall an die Öffentlichkeit gedrungen sei. Die bisherigen Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich bislang nur um Planungen handelt. Beim zuständigen Landratsamt seien noch keine offiziellen Bauanträge eingegangen. Sprecher Matthias Schuppe vom sachsen-anhaltischen Innenministerium sagte der taz, dass die ministerielle Berichtsanforderung in erster Linie die Betreffenden vor Ort sensibilisieren und zum Nachdenken auffordern soll. „Wir als oberste Aufsichtsbehörde können nur die rechtliche, nicht die moralische Seite prüfen.“ So müsse man quasi den Umweg über die offenen Fragen der waffenrechtlichen, bautechnischen und emissionsschutzrechtlichen Genehmigung gehen. Der neue parteilose Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz hält mit seiner Empörung nicht hinterm Berg. Er habe zwar auch keine dienstrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten gegenüber dem Schulträger, sagte er, das Vorhaben aber sei „instinktlos“ und ein „Unding“.