Nachgehakt
: Watt – Weltnatur?

■ Niedersachsens Vorstoß, das Watt zum Weltnaturerbe zu machen, scheint niemand wirklich gut zu finden

Die Reaktionen reichen von „Absurd, Etikettenschwindel, verlogen“, bis „Wieder so ein Trick, unsere Entwicklung einzuschränken“. Dabei hatte der niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) gehofft, mit seinem Vorschlag, das Wattenmeer von der Unesco zum Weltnaturerbe erklären zu lassen (vgl. taz vom Wochenende), das Ei des Kolumbus mitten in die Quadratur des Kreises geworfen zu haben. (Soll heißen: einen Geniestreich vollbracht zu haben – ist es nicht wunderbar, was für Stilblüten taz-Autoren immer wieder hervorbringen? Anm. d. Red.)

„Der Minister erweckt den Eindruck, als würde ein Unesco-Weltnaturerbe unter besonderem Schutz stehen“, argumentiert etwa der Wattenrat, ein regionaler Zusammenschluss zahlreicher Umweltschützer. Sein Fazit: „Das Ganze ist ein Managementtrick, um das Wattenmeer noch effektiver vermarkten zu können.“ Dagegen vermuten Insel- und Küstenvertreter hinter Jüttners Initiative Salamitaktik: „Wenn wir den Naturschutzverbänden und den Politikern ein wenig entgegenkommen, wollen sie immer mehr. Bald werden sie ab Oldenburg kontrollieren wollen, wer noch Ferien an der Küste machen darf.“

Im Hintergrund der Auseinandersetzung steht das gerade verabschiedete neue Gesetz für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Die Tourismusindustrie hatte gefordert, die Entwicklung des Fremdenverkehrs gegenüber dem Naturschutz zu bevorzugen. In ihrem touristischen Angebot lägen sie gegenüber vergleichbaren Regionen an der Ostsee oder in Bayern im Hintertreffen. Also müssen Golfplätze, Kunststrände, Spaßbäder und Flugplätze her.

Naturschutzverbände dagegen forderten zum Schrecken der Inselvertreter absolute Tabuzonen im Watt und Pufferzonen an Land. Gewonnen haben die Inselvertreter. Ihren Wünschen wurde bei der Novellierung des Nationalparkgesetzes weitgehend entsprochen. Aber das reicht ihnen nicht. „Wir sind diejenigen, die die Umwelt immer am effektivsten geschützt haben“, meint denn auch einer der schärfsten Gegner aller Ausweitungen der Schutzzonen, Andreas Kaib aus Borkum. Sein Miss-trauen gegenüber der aktuellen Ministerinitiative aber sei völlig unbegründet, beruhigt der Umweltminister. „Für ein Weltnaturerbe benötigen wir keinerlei weiteren Schutz des Watts“, so Jüttner, und außerdem: „Für den Fremdenverkehr wäre die Auszeichnung eine prima Sache.“

Worte wie diese beunruhigen nun wiederum die Umweltschützer. Nach den Kriterien der weltweiten Organisation zum Schutz der Natur (IUCN) ist der Schutzstandard des Nationalparkes Wattenmeer vergleichweise niedrig. So gibt es für eine zu schützende Fläche von 280.000 Hektar – belastet durch 1,5 Millionen Touristen pro Jahr, durch Landwirtschaft, Fischfang und Windindustrie – gerade mal sieben Hauptamtliche und 14 Zivis als Aufsichtspersonen.

Zusätzlich zur Liste der Objekte des Weltkultur- und -naturerbes hat die Unesco noch eine Liste der meist bedrohten Denkmale und Naturflächen. Auf diese Liste gehörte eigentlich das Wattenmeer.

Thomas Schumacher