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Sparen für ein Argument

■ Bremer Finanzstaatsrat rechnet damit, dass das Sanierungsziel 2005 nicht erreicht wird und dass Bremen erneut vors Bundesverfassungsgericht zieht

„Der restriktive Sanierungskurs führt spätestens im Jahre 2005 dazu, dass für Bremen die Lebensverhältnisse gegenüber vergleichbaren Großstädten nicht mehr gleichwertig sind.“ Das ist kein Kernsatz einer grünen Oppositionserklärung gegen die Bremer Sparpolitik, sondern ein Kernsatz des für den Sanierungskurs verantwortlichen Finanzstaatsrats Günter Dannemann, mit dem das Land Bremen seiner Ansicht nach erneut vor dem Bundesverfassungsgericht klagen muss. Dannemann erklärte sein Szenario für das Ende der Sanierung im Jahre 2005 vor Studenten in seiner Antrittsvorlesung.

Der Bremer Finanz-Staatsrat hält in diesem Semester als „Gastdozent“ Vorlesungen an der Bremer Universität, um den Studierenden dort Einblick in die Praxis der Finanzpolitik zu geben. „Bremische Finanzpolitik 1970-2020“ war das Thema seiner Antrittsvorlesung, also im Grunde sein eigenes Arbeitsfeld.

Über die Jahre nach 1970 und die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geht es im wesentlichen Teil des Vorlesungsmanuskriptes, um 2020 – also die Perspektive der Sanierungsbemühungen – weniger. Für das Jahr 2005, also das Ziel-Jahr der zweiten Sanierungsperiode, in denen die Milliarden-Hilfen des Bundes auslaufen, ist in dem Vortrag kein Erfolgsziel definiert. Im Gegenteil: Dannemann kündigt vor seinem akademischen Publikum an, dass der Streit weiter gehen werde. Denn die vertraglichen Vereinbarungen zur „Finanzreform 2005“, die die Bund-Länder-Finanzen bis 2020 regeln sollen und die auch in Bremen als Erfolg gefeiert wurden, sind für Dannemann eine „vergebene Chance “. Das heißt, so der Staatsrat, sie seien lediglich „Ergebnis einer rein politischen Verhandlungslösung“. Das ist als Kritik gemeint, denn: „Der Ökonom steht machtlos dabei.“ Dannemann führte den Studenten Modelle vor, wie man die Finanzverfassung zwischen Bund und Ländern sinnvoll hätte neu regeln können – so, wie die politische Lösung aussieht, kann es nach Ansicht des Ökonomen nicht funktionieren. Was folgt? „Vermutlich wird eine erneute Klage Bremens vor dem Bundesverfassungsgericht unumgänglich sein“, sagte der Bremer Staatsrat für Finanzen. Drei Klagepunkte würden sich abzeichnen: Erstens: „Die originäre Steuerverteilung – verschärft durch die Finanzreform 2005 – entreichert Bremen in verfassungswidrigem Ausmaß.“ Das bedeutet: In der gültigen Finanzverfassung kann das Ziel der Sanierung 2005 nicht erreicht werden und in den Folgejahren bis 2020 auch nicht. Zweitens: „Der restriktive Sanierungskurs führt spätestens im Jahre 2005 dazu, dass für Bremen die Lebensverhältnisse gegenüber vergleichbaren Großstädten nicht mehr gleichwertig sind.“ Die „Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen“ in den Ländern der Föderation ist aber im Grundgesetz garantiert.

Dritter Grund: „Die extreme Haushaltsnotlage muss durch den Bundesgesetzgeber endgültig und schnell beseitigt werden.“ Diese Begründung für eine Klage setzt voraus – Dannemann führte das in seiner Vorlesung nicht weiter aus – dass die extreme Haushaltsnotlage trotz aller Eigenanstrengungen am Ende der Sanierungshilfen nicht beseitigt ist. Der strikte Sanierungs-kurs ist nur die Voraussetzung, um vor dem Verfassungsgericht 2005 argumentieren zu können: Nun muss die Solidargemeinschaft der Ländern dem Stadtstaat Bremen helfen. K.W.

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