Pakistan testet seine Raketen

Die Regierung in Islamabad macht ihre Ankündigung wahr. Indien zeigt sich unbeeindruckt. Russlands Präsident Putin bietet seine Vermittlung an

ISLAMABAD rtr/afp ■ Pakistan hat ungeachtet internationaler Aufrufe zur Zurückhaltung seine angekündigten Raketentests gestern fortgesetzt. Die pakistanische Armee teilte in Islamabad mit, es sei eine Rakete mit einer Reichweite von bis zu 290 Kilometern abgeschossen worden. Es war der zweite Versuch, nachdem bereits am Samstag der Test einer Mittelstreckenrakete internationale Befürchtungen über die wachsende Kriegsgefahr zwischen Pakistan und Indien genährt hatte.

Wie die Armee weiter mitteilte, zeigten die Raketenversuche die Entschlossenheit des Landes, sich selbst zu verteidigen. Der Versuch stehe aber in keinem Zusammenhang mit dem Kaschmirkonflikt. Indien zeigte sich unbeeindruckt und erklärte, die Tests seien für die pakistanische Öffentlichkeit bestimmt.

US-Präsident George W. Bush wiederholte am Sonntag in St. Petersburg seine Aufforderung an Pakistan, sich im Streit mit Indien zurückzuhalten. Er zeigte sich besorgt über die Raketenversuche und sagte, er hoffe, dass Indien sie nicht als Provokation auffassen werde.

Bushs Gastgeber Wladimir Putin bot an, beim kommenden Regionalgipfel in der kasachischen Hauptstadt Almaty zwischen den Konfliktparteien zu vermittlen. Er hoffe, dass der pakistische Staatschef Pervez Muscharraf und der indische Premierminister Atal Behari Vajpayee an der Konferenz Anfang Juni teilnehmen und eine weitere Eskalation verhindert werden könne. Im Anschluss an die Konferenz soll US-Vizeaußenminiser Richard Armitage in die Region reisen.

Muscharraf sagte gegenüber der Washington Post zugleich, sein Land verhindere das Einsickern islamischer Extremisten in den indischen Teil Kaschmirs. Dies war von Indien gefordert worden. Muscharraf versicherte gegenüber der Zeitung, dass keine terroristische Aktivität von Pakistan aus in die Welt gehe: „Das ist unsere Haltung, und wir halten daran fest.“ Zugleich forderte er auch Indien zur Ruhe an der Grenze im geteilten Kaschmir auf. Wenn die Abschreckung aber nicht funktionieren sollte, dann werde Pakistan auf indisches Gebiet vorstoßen. Ein Atomkrieg zwischen den beiden Nachbarn sei ein Szenario, das er sich gar nicht vorstellen wolle. Ein Regierungssprecher in Islamabad kündigte für heute eine Fernsehrede Musharrafs an.

Vajpayee sagte gestern im Fernsehen seines Landes zu Angriffen militanter Extremisten, die Geduld Indiens habe Grenzen. Nach dem Anschlag auf das indische Parlament im Dezember hätte Indien sofort antworten sollen, doch die Staatengemeinschaft habe davon abgeraten. Aber solche Anschläge hätten sich weiter ereignet, sagte Vajpayee unter Hinweis auf die 34 Toten Anfang Mai bei einem Angriff auf eine Armeekaserne. Bei dem Anschlag in Neu-Delhi, für den Indien muslimische Extremisten verantwortlich macht, hatte es mehrere Tote gegeben. Indien beschuldigte das Nachbarland daraufhin, nichts gegen Extremisten zu tun und sie nach Indien einsickern zu lassen.