Möllemann im Anflug auf Haider und Co.

Der FDP-Vize erklärt den Erfolg rechtspopulistischer Parteien zur „Emanzipation der Demokraten“. Scharfer Protest auch in der FDP. Kanzler Schröder spricht Liberalen Regierungsfähigkeit ab

BERLIN taz ■ Jürgen Möllemann (FDP) schlägt neuen Krawall. Während in ganz Deutschland noch heftig über seine Vorwürfe, der Vizevorsitzende des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, sei verantwortlich für den wachsenden Antisemitismus, gestritten wird, verkündet er in der heutigen Ausgabe des Neues Deutschlands, die Wahlerfolge europäischer Rechtspopulisten seien Ausdruck der „Emanzipation der Demokraten“. Es gehe dabei nicht um rechts oder links, sondern nur darum, „wer die tatsächlichen Probleme der Menschen ohne ideologische Scheuklappen erkennt, die Sprache des Volkes nennt und zu ihrer Zufriedenheit löst“.

Der FDP-Vorsitzende Guido Welle befand sich gestern noch auf seinen Flug nach Israel, als die ersten Agenturen Möllemanns neuen Tabubruch vermeldeten. Damit dürfte die Nahostreise Westerwelles, der heute Premierminister Ariel Scharon und morgen Palästinenserchef Jassir Arafat treffen will, weiter belastet werden. Wie aus Kreisen des israelischen Außenministeriums bekannt wurde, sind Westerwelles Gespräche in Israel nur deshalb möglich geworden, weil sich dieser am Freitag von Möllemanns Äußerungen distanziert hat: „Dies war eine Erklärung praktisch in letzter Minute.“

In Deutschland stoßen Möllemanns Ausführungen zum Rechtspopulismus auf scharfe Kritik. Hildegard Hamm-Brücher (FDP) bezeichnet sie gegenüber der taz als „reinen Populismus und reine Demagogie“. Und der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, wirft Möllemann vor, aus der FDP ein rechtspopulistisches Sammelbecken zu machen. „Verlieren werden beide, Juden und Muslime“, so Özdemir. Wolfgang Bosbach, Fraktionsvize der CDU, fordert die Parteiführung der FDP dazu auf, „ein klares Wort zu sprechen, ob das auch ihr Kurs ist“.

Bereits vor Bekanntwerden von Möllemanns Beitrag im Neuen Deutschland warf Bundeskanzler Gerhard Schröder der FDP ein Spiel mit „Fremdenfeindlichkeit, Rechtsradikalismus bis hin zum Antisemitismus“ vor. Eine derartige Partei sei nicht regierungsfähig, so Schröder, der damit einer möglichen sozialliberalen Koalition nach der Bundestagswahl vom 22. September eine Absage erteilte. So weit wie Schröder will Bosbach nicht gehen: „Wir schließen keine Koalition mit Herrn Möllemann, sondern mit der FDP. Die Koalition mit der FDP ist für mich die wahrscheinlichste und auch die liebste Lösung.“

Noch vor Antritt seiner Nahostreise wies Westerwelle Schröders Vorwürfe als „infam, arrogant und verleumderisch“ zurück. Westerwelle räumte ein, dass die FDP auch Wähler von PDS und „Republikanern“ gewinnen wolle. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, meinte über Westerwelle: „Damit zeigt er sein wahres Gesicht, will im Stil von Haider und Le Pen Stimmen fangen und unterstützt antisemitisches Gedankengut.“ In Wahlumfragen legte die FDP unterdessen laut Nachrichtenmagazin Der Spiegel zu – von 9 auf 12 Prozent.

Wegen des Streits will SPD-Fraktionschef Peter Struck eine für Juni gemeinsam geplante Bundestagsresolution von SPD, Grünen, Union und FDP zur Verurteilung des Antisemitismus in Deutschland verhindern.

EBERHARD SEIDEL

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