Folteropfer als Angeklagte

ISTANBUL afp ■ Viele Folteropfer in der Türkei schrecken einer juristischen Studie zufolge vor Strafanzeigen gegen die Polizei zurück, weil sie befürchten müssen, ihrerseits von den Beamten verklagt zu werden. Den Folteropfern werde häufig Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen, berichtete die englischsprachige Turkish Daily News gestern unter Berufung auf die Untersuchung der Anwaltskammer in der Großstadt Izmir. Demnach wurden in der Region Izmir in fünf Jahren zwar 848 Folteropfer registriert, aber nur in 94 Fällen wurden die mutmaßlichen Folterer aus den Reihen der Polizei angezeigt. Der Chef der Anwaltskammer, Noyan Özkan, kritisierte zudem die Haltung vieler Staatsanwälte in der Türkei, die ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Untersuchung mutmaßlicher Folter-Delikte nicht nachkämen. Außerdem legen die Ergebnisse der Studie nahe, dass türkische Polizisten bei Folter-Vorwürfen nur selten schwere Strafen zu befürchten haben. So endeten nur 23 Prozent der 94 erfassten Folter-Prozesse mit einer Verurteilung.