Anti-Terror-Kampf als Alibi

In ihrem Jahresbericht kritisiert amnesty international Menschenrechtsverletzungen durch Terrorismusbekämpfung

BERLIN taz ■ Einfach war der Kampf um die Einhaltung von Menschenrechten noch nie. Seit den Ereignissen vom 11. September aber ist er noch schwieriger geworden. Das betonte die Generalsekretärin von amnesty international (ai) bei der Vorstellung des Jahresberichts der Organisation gestern in Berlin. Viele Regierungen nutzten die Ereignisse des 11. Septembers dafür, Menschenrechte zu beschneiden oder zu verletzen, erklärte Barbara Lochbihler.

Vor allem in den USA rücke der Menschenrechtsschutz nach dem Attentat auf das World Trade Center in den Hintergrund: Mehr als 1.200 Personen seien bei der Suche nach den Attentätern verhaftet und interniert worden. Teilweise seien diese Personen auch heute noch ohne Anklage und Prozess unbefristet in Haft. Auch die Behandlung der gefangenen Taliban- und Al-Quaida-Kämpfer verstoße gegen internationale Rechtstandards. Den Gefangenen in der Militärbasis Guantánamo werde jeder rechtliche Beistand verwehrt. Auf die Bitte an die US-Regierung, die Gefangenen besuchen zu dürfen, habe ai bis heute noch keine Antwort erhalten, kritisierte die Generalsekretärin.

Auch in anderen Ländern sei die universelle Gültigkeit von Menschenrechten im Zuge der „Terrorismusbekämpfung“ unter Druck geraten, betonte Lochbihler und verwies unter anderem auf die Lage in Kolumbien. Dort begingen Armee, Paramilitär und oppositionelle Gruppen schwere Menschenrechtsverletzungen. 2001 seien dort 153 Gewerkschafter ermordert worden – mehr als in irgendeinem anderen Staat.

Insgesamt bietet der Jahresbericht für das Jahr 2002 einen Überblick über die Lage der Menschenrechte in 152 Ländern. Er dokumentiert außergerichtliche Hinrichtungen in 47 Ländern, Folter und Misshandlungen von staatlicher Seite in 111 Ländern und „verschwundene“ Personen in 35 Ländern. ANGELIKA HENSOLT