Explodierende Dosen

Mit dem Gastspiel „Images of Affection“ haben Jan Lauwers und die Needcompany ihr überwiegend jugendliches Publikum gefunden

von ANNETTE STIEKELE

Diese Aufführung ist nicht leicht zugänglich. Das beginnt bei der Sprache. Die Truppe ist multinational, also muss ein Band mit Übersetzung mitlaufen. Wer tiefer gehendes Verständnis der Inhalte sucht, wird auf ein Glossar verwiesen, denn die Sprache auf der Bühne erschließt sich nicht immer von allein. „Silence“ ist „The enemy“ lesen wir da und „Happiness“ ist „Dictator, a manipulator, the devil“. Auch die Chaos-Theorie spielt eine Rolle. Und chaotisch geht es zu beim Gastspiel von Jan Lauwers und seiner Needcompany mit Images of Affection im Schauspielhaus.

Seit fünfzehn Jahren reist Lauwers mit seinem Ensemble aus Tänzern, Musikern und Performern um die Welt. Hamburg brachte dem flämischen Regisseur bislang eher wenig Glück. Nicht alle Zuschauer hatten Verständnis dafür, dass er bei Needcompany‘s King Lear sein Ensemble an die Rampe stellte und Shakespeare-Texte frontal ins Publikum rezitieren ließ, bevor am Ende alles in einem gewaltigen Sound- und Lichtgewitter explodierte. Bei der Schauspielhauseigenen Produktion Ein Sturm, wiederum nach Shakespeare, ließ Lauwers kreischende E-Gitarren auf der Bühne liegen und überließ ansonsten Tanz und Gesang die Bühne. Aber mit seiner Produktion Images of Affection zum fünfzehnjährigen Jubiläum des Theaterkollektivs brachte der studierte Maler nurmehr Cola-Dosen zum Explodieren und hat damit sein – überwiegend jugendliches – Publikum gefunden.

Es gibt mal wieder eine weitgehend leere Bühne mit einer seltsamen „Töpferecke“ und einigen herumstehenden Stühlen. Ein Transvestit fährt vorne links am PC die Beleuchtung. Auftritt: ein Mann allein, im Anzug mit Glatze. Er heißt Mike, wird gespielt von Dick Crane und schildert den scheinbar so gewöhnlichen Tag, der sein Leben auf den Kopf stellte. Mit seinen Freunden Angie und Lola geht er in einen Kebab-Imbiss. Wenig später wird Angie in einer Explosion getötet und es stellt sich heraus, dass auch seine Frau Christine – Grace Ellen Barkey, früher bei William Forsythe – ums Leben kam.

Frei nach Andy Warhol erzählt Lauwers am liebsten von der Idee dessen, was vielleicht hätte passieren können, deutet an, was er vielleicht hätte szenisch umsetzen können. Und er spricht von der bunt schillernden Lüge der Hoffnung, die uns immer wieder anfliegt. Doch wenn alles gut ist, wenn sich Paare umarmen, landen sie wenig später bei Gewalt und schreiendem Entsetzen. Wenn die Tänzer die strengen Bühnenmarkierungen übertreten, setzt es Schüsse ins Knie. Und am Ende detoniert noch eine orientalische Prinzessin.

Damit sie sich nicht ernsthaft wehtun, tragen die elf Darsteller in diesem „Kriegsgemetzel“ Helme, die mit Hasenohren versehen sind, Rabbits als Symbol für die Durchsetzungskraft des Lebens, in diesem mörderischen Spektakel. Mikes Frau Christine jedoch starb nicht im Krieg, sondern an einer dreitägigen Kälte. Das erzählt jedenfalls die lasziv über die Bühne schreitende Anneke Bonnema als Mikes Nachbarin Candy.

Mikes weitgehend emotionslose Rückschau auf zwei wichtige Menschen, die eben einfach nicht mehr sind, wird von umso ausladeneren Musiksessions unterbrochen. Hier singt sich vor allem Candys Ehemann Bob – Hans Petter Dahl, der die laute Geräuschkulisse und manch schlechten Coversong verbrochen hat – schier um Kopf und Kragen. Und doch ist Images of Affection wesentlich stringenter als alle vorhergehenden Produktionen der Needcompany. Die tänzerischen Darbietungen sind schwierig bis akrobatisch, das Ensemble mit vollem Körpereinsatz dabei. Die Abwechslung von Text, Tanz und Musik erscheint sinniger als in früheren Werken, wenn sie auch zuweilen zu Längen führt.