Die verwirrende Wirkung des Siegens

Geschmückt mit frischem Lorbeer, scheiden Roger Federer und Justine Henin bei den French Open gleich aus

PARIS taz ■ Nein, mit Überheblichkeit hatte es nichts zu tun. Es war nur einfach so, dass Roger Federer mit zunehmendem Unverständnis registrierte, dass er die Dinge nicht so im Griff hatte wie gedacht. Nicht viel mehr als eine Woche war vergangen seit dem Turniersieg des jungen Schweizers in Hamburg. Auf dem Weg zum dritten Titel seiner Karriere, dem ersten auf Sand, hatte er Gustavo Kuerten sowie Marat Safin besiegt, er war mit Lob verwöhnt worden, und für viele gehörte er danach zu den Favoriten für das Turnier in Paris.

Federer gönnte sich drei, vier Tage Pause, flog nach Paris, begann mit dem Training, aber von Anfang an fühlte er sich schlapp. Es muss merkwürdig gewesen sein; er hatte gedacht, dass ihn das Hamburger Erfolgserlebnis beflügeln würde, doch dann stellte er fest, dass er nicht recht wusste, wie er mit alldem umgehen sollte. In Hamburg, sagt er, das sei ein so großer Moment für ihn gewesen, und er habe sich schwer damit getan, das einzuordnen und zu realisieren.

Na ja, und dann lief ihm in der ersten Runde in Paris ausgerechnet der marokkanische Tausendsassa Hicham Arazi über den Weg. Der ist an guten Tagen einer der aufregendsten Spieler der Welt, und so einen guten Tag hat er immer wieder mal, unabhängig von Formkurve und Großwetterlage. Zuletzt hatte er fast nur noch verloren, acht von neun Partien auf Sand, Federer dachte, das müsse doch ein leichtes Spiel werden, aber von wegen. Arazi packte den Zauberschläger aus, Federer erschien wie der Rächer der Enterbten, ganz cool in Schwarz, und er hatte in drei schnellen Sätzen nicht den Hauch einer Chance. In seiner Ungeduld fiel er in alte Fehler zurück, wollte zu schnell zuviel und machte es Arazi alles in allem nicht furchtbar schwer.

Das einzig Gute an dieser Geschichte sei, sagte Roger Federer hinterher, dass er sich nun in Ruhe auf die kurze Rasensaison und auf Wimbledon vorbereiten könne. In Wimbledon hat er vor einem Jahr in einem großartigen Spiel die Siegesserie von Pete Sampras gestoppt; zum Glück ist inzwischen genügend Zeit vergangen, um diesen Erfolg zu verarbeiten; gemessen an der komplizierten Kurzdistanz Hamburg–Paris kann das vermutlich nicht schaden.

Die gefährliche, verwirrende Wirkung des Siegens. Auch Justine Henin aus Belgien, die Entdeckung des Jahres 2001, war mit frischen Meriten nach Paris gekommen, als Gewinnerin der German Open in Berlin und als Finalistin von Rom in der Woche danach. Ob es die Anstrengungen dieser Spiele waren, das lausige Maiwetter in Paris oder einfach ein Virus – Henin ging es jedenfalls nicht besonders gut am Tag des ersten Spiels in Paris; sie hatte Fieber und bekam schlecht Luft. Schwer zu sagen, ob sie vielleicht hoffte, auch mit halber Luft zu gewinnen gegen eine Gegnerin wie Aniko Kapros aus Ungarn, 18 Jahre alt, Qualifikantin und Nummer 179 der Welt, aber es kam dann doch ein wenig anders.

Als sie begriff, dass es schwerer werden würde als erwartet, wollte Henin – wie Federer – zu schnell zu viel und bekam nichts. Aniko Karpos, deren Eltern als Artisten schon in der ganzen Welt aufgetreten sind, gab eine prima Vorstellung und gewann in drei Sätzen. Sie war rund, fröhlich und gesund, sie streckte die Arme aus und sagte: Allez hopp!

DORIS HENKEL