Ick les die Böörliner

English for Haupstädter: Ab kommenden Mittwoch gibt es in Berlin im 14-Tage-Rhythmus ein englischsprachiges Stadtmagazin. Vorbilder sind „The New Yorker“ und „The Village Voice“, dessen Autor Dan Savage seine Sexkolumne „Savage Love“ ausleiht

von HEIKO DILK

Richard sticht kleine gelbe Stecknadeln in einen großen Stadtplan. Der Plan hängt in einem alten Ladengeschäft im Prenzlauer Berg. Richard macht das, um die Orte zu markieren, an denen es The Berliner ab nächsten Mittwoch geben wird. Eine Hand voll stecken schon, aber das frisch gegründete Stadtmagazin soll an rund 300 Orten in ganz Berlin ausliegen. In Cafés, Theatern, Museen, Hotels oder an Universitäten sollen die insgesamt 30.000 Exemplare zu haben sein. Für umsonst.

Nadja Vancauwenberghe, Ioana Veleanu und Maurice Frank hatten die Idee, ein englischsprachiges Stadtmagazin in Berlin herauszugeben. Schon 1997, als sie sich beim Journalismusstudium in London kennen lernten. Maurice, der deutsche Eltern hat, in England und Amerika aufwuchs, landete dann vor drei Jahren in Berlin bei der Deutschen Welle. Nadja ist Französin und arbeitete zuletzt in Moskau für die Nachrichtenagentur AFP, und Ioana zog mit 15 nach Frankreich, kommt eigentlich aus Rumänien, und bis vor kurzem hat sie noch das New Yorker Wochenmagazin The Village Voice mitgestaltet. Seit Februar versuchen sie sich an ihrem Stadtmagazin The Berliner.

Zum zweiten Mal wird damit die Berliner Presselandschaft um ein englischsprachiges Magazin bereichert – 1998 war der Spaß mit b magazine nur von kurzer Dauer: Nach drei Ausgaben wurde das Heft, das sich vor allem an englischsprachige Berliner richtete, wieder eingestellt. Maurice fallen für The Berliner aber noch weitere Zielgruppen ein als bloß die rund 30.000 offiziell registrierten Englisch-Muttersprachler. Da seien die Touristen, die nicht Deutsch sprechen, sich aber über Berlin informieren wollen. Und nicht zuletzt: Deutsche mit guter Bildung.

The Berliner also. Tatsächlich eine Referenz an das amerikanische Wochenmagazin The New Yorker, für das Woody Allen, Roald Dahl oder Steve Martin schrieben? „Doch, doch“, sagt Ioana Veleanu, die Art Direktorin, und springt gleich auf, um eine Ausgabe des New Yorker zu holen. Das Konzept des Berliner-Covers sei maßgeblich davon inspiriert, sagt sie. Das zeugt nicht gerade von mangelndem Selbstbewusstsein. Mehr noch als für seine Autoren, ist das seit 1925 erscheinende Magazin nämlich für seine Titelillustrationen bekannt. Auch The Berliner wird jeweils eine formatfüllende Illustration eines Künstlers auf Seite 1 haben. Der erste Titel stammt vom Berliner Comic-und Allround-Künstler Jim Avignon, der schon für den Spiegel ran durfte.

Ioana hat gleich noch das zweite Vorbild mitgebracht: die ebenfalls wöchentlich erscheinende The Village Voice. Das scheint vermessen. Henry Miller, Allen Ginsberg oder E. E. Cummings schrieben für Village Voice. Aber: Zwei der Kolumnen, die in The Village Voice erscheinen, gibt es auch in The Berliner. Zum einen die Sexkolumne „Savage Love“ von Dan Savage, eine Art schwuler Hardcore-Dr.-Sommer, und zum anderen wird es „Free Will Astrology“ von Rob Brezsny geben – ein Horoskop, das sich weitgehend von der Vorstellung distanziert, die Sterne hätten irgendetwas mit dem Schicksal der Menschen zu tun.

Genau wie die Vorbilder, soll The Berliner irgendwann nicht mehr nur alle zwei Wochen erscheinen, sondern wöchentlich. Derzeit kommen private Investoren für die zehn- bis zwölftausend Euro auf, die das Blatt monatlich kostet, irgendwann wollen die drei Herausgeber aber auch Geld verdienen. Mit dem Engagement der Anzeigenkunden sind sie schon zufrieden. „Angesichts der Tatsache, dass wir noch nicht mal angefangen haben, ist es sehr ermutigend“, sagt Maurice.

32 Seiten wird The Berliner haben, 16 davon sind für Kino, Theater, Museen und Veranstaltungstipps reserviert. Auf den restlichen 16 Seiten kann so ziemlich alles stattfinden, „was interessant und gut geschrieben ist“, sagt Nadja. In der ersten Ausgabe ist das unter anderem eine Geschichte über Berlin als kommende Musikhauptstadt, das Porträt eines jungen Modedesigners, der Klamotten aus Müll schneidert, und ein Interview mit Bildungssenator Thomas Flierl. „Vergiss die Sportkolumne nicht“, ruft Richard, der sie selbst schreibt, und immer noch mit den Stecknadeln beschäftigt ist.

Eigentlich wollte das insgesamt siebenköpfige Team ja eine Launch-Party zum Start von The Berliner machen. „Viele hätten gerne mit uns gefeiert, aber wir haben einfach keine Zeit im Moment“, sagt Nadja. Im September soll die Party nachgeholt werden. Und wenn The Berliner dann noch existiert, gibt es angesichts der miserablen Lage auf dem Medienmarkt ja auch wirklich was zu feiern.