WAS WOLLEN JOSCHKA FISCHER UND GUIDO WESTERWELLE IN ISRAEL?
: Die Wahrheit jenseits der Fototermine

Ausländische Politiker stehen Schlange vor Scharons Tür. Außenminister kommen und gehen. Westerwelle kam vorbei, begleitet von einem kleinen Skandal, den die israelischen Medien kaum beachteten. Nun kommt Joschka Fischer und wird irgendwo Ehrendoktor.

Israel steht wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit, das zieht Würdenträger aus aller Welt an. Zu Hause ist das gut für ein paar Fotos. In Israel nicht. Warum kommt Joschka Fischer jetzt? Warum hat er nicht Arafat in Ramallah während seiner Belagerung besucht? Einige Israelis hatten eine Art „menschlichen Schutzwall“ gebildet, um zu verhindern, dass Scharon Arafat tötet. Das hätte den Frieden für Generationen unmöglich gemacht. Doch Fischer konnte Arafat natürlich nicht aufsuchen, denn das hätte ja die Amerikaner verärgert.

Was wird nun bei allen diesen diplomatischen Besuchen herauskommen? Nichts. Die Israelis sind mit dem täglichen Terror beschäftigt, Scharon hat andere Probleme. Nur Außenminister Schimon Peres, der sich in eine pathetische Karikatur seiner selbst verwandelt hat, ist beschäftigt.

Der Friedensprozess existiert nicht mehr. Dafür kommt der Kriegsprozess forsch voran. Täglich sterben dabei Menschen – Israelis, die zufällig in einem Café oder Supermarkt sind, in denen sich ein Selbstmörder in die Luft sprengt; Palästinenser, die israelische Kommandotruppen „liquidieren“.

Auf israelischer Seite gibt es so gut wie keine Debatte über die militärischen Aktionen, man nimmt sie routinemäßig zur Kenntnis. Bei den Palästinensern ist eine heftige Debatte im Gang. Die Führung glaubt, dass die Selbstmordaktionen die Welt gegen die Palästinenser aufbringen, sie will, dass man nur Siedler und Soldaten in den besetzten Gebieten angreift. Wuterfüllte Militante lehnen dies ab. Sie glauben, dass die „Märtyrer“ die einzige wirksame Waffe sind, die die Palästinenser haben. Sie weisen darauf hin, dass die Israelis jetzt in ständiger Angst leben, dass die israelische Wirtschaft in eine Krise taumelt. Es ist ein Zermürbungskrieg.

Die Medien konzentrieren sich auf den Teufelskreis der Gewalt, doch die Hauptfront verläuft anderswo. Denn Scharon treibt die Siedlungspolitik mit gewaltigen Schritten voran. Neue Siedlungen entstehen, alte werden erweitert, so genannte Umgehungsstraßen zerschneiden, was übrig bleibt. Die Siedlungen sind ein Zeichen: Es soll und wird keinen Staat Palästina geben.

Im Namen der Terrorbekämpfung entsteht überall im Lande ein Wirrwarr von elektronischen Zäunen, Gräben, Mauern – nicht in einer geraden Linie wie zwischen der Ex-DDR und der Bundesrepublik, sondern um die palästinensischen Dörfer und Städte. Sie machen jede Bewegung unmöglich und legen die Reste der palästinensischen Wirtschaft lahm. Doch all das interessiert die Außenminister kaum. Es ist ja nicht fotogen. URI AVNERY

Der Autor lebt als Publizist und Friedensaktivist in Tel Aviv.