Dollars aus Libyen?

Die Regierung in Tripolis will offenbar den Hinterbliebenen der Opfer des Lockerbie-Anschlags eine Entschädigung zahlen – unter Bedingungen

KAIRO taz/ap ■ Der Fall Lockerbie ist in Bewegung geraten. Fast zwei Monate nachdem das Berufungsverfahren gegen den verurteilten libyschen Geheimdienstmann Abdelbaset al-Meghrahi abgeschmettert wurde, deutet sich die Möglichkeit an, dass die Regierung in Tripolis zu Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen bereit ist. Die von ihr beauftragte Anwaltskanzlei Kreindler & Kreindler in New York bietet jeder Hinterbliebenenfamilie 10 Millionen Dollar an. Insgesamt sollen 2,7 Milliarden Dollar auf ein Treuhandkonto eingezahlt werden.

Die Auszahlung ist allerdings an Bedingungen geknüpft. Die ersten 40 Prozent sollen freigegeben werden, wenn die UNO ihre derzeit ausgesetzten Sanktionen gegen Libyen endgültig aufhebt. Weitere 40 Prozent sollen folgen, sobald die USA ihre Wirtschaftssanktionen gegen das nordafrikanische Land aufheben. Der Rest wird dann ausbezahlt, wenn die Regierung in Washington Libyen von ihrer Liste von Ländern streicht, die den Terrorismus fördern.

Die libysche Regierung dementierte allerdings in einem Kommuniqué das Angebot, das von einem hochrangigen Mitglied der US-Administration bekannt gegeben wurde. Tripolis sei nicht offiziell über das Ergebnis der Treffen zwischen libyschen Geschäftsleuten und den Anwälten, die mit den Angehörigen Gespräche geführt hätten, informiert worden, hieß es. Bei dem Anschlag auf den Pan-Am-Flug 103 waren 1988 270 Menschen ums Leben gekommen.

Bereits in den letzten Wochen hatte sich ein Entschädigungsangebot angedeutet. Der Sohn des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi begann öffentlich von dieser Möglichkeit zu sprechen. Seif al-Islam wurde erst vor kurzem von seinem Vater mit dem Lockerbie-Fall betraut. Er hat bereits einige Erfahrungen mit rechtlichen Dingen im Ausland. Erst vor kurzem hat er erfolgreich eine Verleumdungsklage gegen den britischen Daily Telegraph zu Ende gebracht.

In einem Interview mit der Illustrierten Stern bestätigte Seif al-Islam vor einer Woche, dass Libyen die Hinterbliebenen der Lockerbie-Opfer entschädigen wolle – sowie möglicherweise auch die Opfer des Bombenanschlags auf die Berliner Diskothek „La Belle“. Sein Vater plane einen Fonds für die Entschädigung von Terrorismusopfern weltweit, sagte al-Islam weiter. Daraus sollten „sicher“ Gelder an die Angehörigen der Lockerbie-Opfer und die der US-Bombenangriffe auf Libyen vor 16 Jahren gezahlt werden. GAW

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