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Die Tonfolgen kreiseln und wirbeln

In der Zeitschleife: Der New Yorker Dirigent Ari Benjamin Meyers mit einem Minimal-Music-Projekt im Cookies

Dienstagabend im Cookies. Vor der Tür scharen sich Mitte-Boys und -Girls um die beiden adretten Türsteher. Es ist Prime Time, mit dem Taxi kommen aufgebrezelte Schönheiten an und junge Erfolgsmänner. Doch beim Betreten des Clubs wird gezögert.

„Ist irgendwas Besonderes heute?“, will eine Schöne mit Pagenkopf wissen. „Ja, da ist so ein Konzert, das geht schon ewig, die machen wohl Überstunden“, meint der Türsteher. Beim Betreten des Saals wabert einem ein Klangteppich entgegen, ein dichtes Geflecht aus übereinander liegenden Tonfolgen. Das Publikum sitzt oder steht wie benommen, gesprochen wird kaum, die Bewegungen sind träge, wie unter Wasser. Die hypnotisierenden, sich wiederholenden Klangfolgen kommen aus dem Inneren von vier massiven Holzkästen, die am Rande der Tanzfläche aufgebaut sind. Vier Musiker sitzen nahezu reglos vor den Instrumenten, nur ihre Finger gleiten über die Tasten. Gelegentlich wechseln die Interpreten die Plätze, um kurz darauf wieder mit äußerster Präzision in die Klaviatur zu greifen. An die Wand sind streifige Muster projiziert, Aufnahmen aus einem fahrenden Zug. Das laufende Stück heißt „Music in Similar Motion“ von dem zeitgenössischen Komponisten Philip Glass.

Zusammen mit Steve Reich, Terry Riley und LaMonte Young gehört Philip Glass zu den Hauptvertretern der Minimal Music. Die in den 60er-Jahren entstandene Stilrichtung basiert auf der Wiederholung von schlichten Tonfolgen. Improvisation ist ausgeschlossen, der Rhythmuseffekt entsteht allein durch das zeitgenaue Zusammenspiel. Durch geringfügige Variationen und unbeabsichtigte Differenztöne entsteht eine Perspektivverschiebung, die ekstatische Wirkung entfaltet.

Die moderne elektronische Musik verdankt den Minimalisten viel. Lange vor Kraftwerk und vor der Erfindung des Loops erzeugten Riley und Co. Klanggebilde, die den Rhythmus durch Wiederholung zum Prinzip erhoben. Der New Yorker Dirigent Ari Benjamin Meyers ist überzeugt, dass ein Club der ideale Aufführungsort für diese Art von Musik ist. Im Cookies arbeitet er zusammen mit jungen Berliner Theatermachern und einem Ensemble aus sechs Musikern.

Das Konzept ist nicht ganz neu: Schon die Elektronik-DJ Andrea Parker unterlegte Stücke von Glass und Riley mit Beats und brachte damit ganze Clubs zum Tanzen. Die Aufführung im Cookies verzichtet auf Zugeständnisse an den modernen Clubgeschmack. Die Musik wird originalgetreu auf alten Farfisa-Orgeln mit Bläserbegleitung interpretiert. Eine Diskokugel schickt kreiselnde Lichtpunkte durch den Raum. Im Hintergrund läuft der Barbetrieb, man sitzt bequem auf Sofas. Die eindringlichen Tonfolgen der Orgeln kreiseln und wirbeln, erzeugen eine eigenartige Stimmung, in der Raum und Zeit aus den Fugen geraten zu scheinen.

Nach dreieinhalb Stunden befindet sich das Cookies in einem tranceartigen Schwebezustand. Auf den vorderen Rängen schwanken einige auf ihren Sesseln hin und her; ein junger Mann ist in seinem Sofa zusammengesunken und schläft. Langsam füllt sich der Saal mit Leuten, die sich laut an der Bar unterhalten. Nach einem fast quälend langen vielstimmigen Orgelpart endet die Musik, das Licht geht an und fast nahtlos setzt ein Beat ein. Das Clubpublikum fordert sein Recht.

NINA APIN

Noch heute und morgen ab 21 Uhr, im Cookies, Charlottenstraße 44, Mitte

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