: Die taz ist der größere Erfolg
Im Gegensatz zu anderen Großverlagen hat die taz niemals zweistellige Millionenbeträge in den Sand gesetzt. Zu verdanken ist dies der Genossenschaft und den MitarbeiterInnen der taz. Auch das macht den Unterschied zu den Mainstream-Blättern
von DONATA RIEDEL
Schon wieder eine Rettungskampagne! Ja, wird die taz denn nie profitabel? Leicht amüsiert bis genervt reagieren die Kollegen anderer Blätter auf die regelmäßig wiederkehrenden Abo-Kampagnen. Hartnäckig hält sich bei ihnen das Vorurteil, dass die taz wirtschaftsfeindlich sei, deshalb keine Anzeigen bekomme und darum keine Chancen habe, jemals Gewinne zu machen.
Bei der taz selbst wiederum gab es immer mal wieder Diskussionen darüber, dass die taz nur einmal einen Investor brauche, der mit ein paar Millionen Euro eine große Werbeaktion finanziert und den Vertrieb richtig ausbaut. Dann sei die taz ganz schnell und nachhaltig wieder in der Gewinnzone.
Beide Annahmen sind Illusion – leider. Wenn es denn so einfach wäre, eine Zeitung profitabel in Deutschland zu etablieren, dann gäbe es wohl noch die kürzlich eingestellte Woche, und die Financial Times Deutschland (FTD) wäre in der Gewinnzone. Auch die ostdeutsche Wochenpost oder das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt, für die Ende der 90er-Jahre das Aus kam, hätten eine Chance gehabt.
Die Ursache liegt darin, dass kein Leser die realen Kosten einer Tageszeitung zahlen würde, weshalb die ganze Branche am Tropf der Werbewirtschaft hängt. Und im Anzeigengeschäft zeigt sich, dass es kleine neue Blätter irrsinnig schwer haben. Selbst in guten Presse-Zeiten wie dem Jahr 2000 bekamen die genannten Blätter nur sehr wenige Anzeigen. Gleichzeitig wussten Süddeutsche Zeitung, FAZ und Handelsblatt kaum noch, wie sie die Werbeflut in ihren ohnehin schon kiloschweren Blättern unterbringen sollten. Heute hängen zwar auch diese Blätter in der Flaute, kämpfen mit Einnahmeeinbrüchen und den Auswirkungen der Millenniums-Euphorie, die sie zu teuren neuen Projekten verführte, etwa der FAZ-Sonntagszeitung oder der NRW-Beilage der Süddeutschen. Die kleinen Zeitungen jedoch bekommen seit Beginn der Konjunkturflaute Mitte 2001 so gut wie gar keine Anzeigen mehr. Wenn überhaupt noch geworben wird, dann in den Blättern, die in ihrer Leserzielgruppe Marktführer sind.
Die FTD bekommt deshalb nicht mehr Anzeigen als die taz. Das ist kein Trost. Im Gegenteil: Mit ähnlichen Abonnenten- und Auflagenzahlen sind beide zu klein, um von der werbetreibenden Wirtschaft wahrgenommen zu werden. Beide gelten als Zweitzeitung. Unterhalb einer täglich verkauften Auflage von 100.000 wird sich daran auch nichts ändern lassen. Die Großverleger der FTD, Gruner+Jahr und Pearson, müssen erheblich höhere Anlaufverluste verkraften als geplant.
Wirtschaftlich betrachtet, ist die taz mit ihrem fast ausgeglichenen Geschäftsergebnis bisher der größere Erfolg. Nie haben ihre laufenden Kosten zu jährlich zweistelligen Euro-Millionenverlusten geführt. Den Preis für die günstige Kostenstruktur zahlen allerdings die Mitarbeiter durch Gehaltsverzicht.
Vor 10 Jahren wäre die taz fast auseinander gebrochen. Damals gab es nach dem Ende des kurzen Wiedervereinigungsbooms eine ernste Finanzkrise. Zwei Fraktionen bekämpften sich intern mit harten Bandagen. Die eine Fraktion, zu der fast die ganze Redaktion zählte, wollte einen finanzkräftigen Verleger suchen, die andere um Geschäftsführer Kalle Ruch, die sich durchsetzte, wollte Geld über eine Genossenschaft hereinbekommen.
Aus heutiger Sicht muss man wohl sagen, dass die Option Verleger für die taz sehr riskant gewesen wäre. Weniger wegen der viel diskutierten Meinungsfreiheit, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. Schnell profitabel hätte die taz in der damals beginnenden 1993er Rezession nicht werden können, und unendliche Geduld haben Verlage bekanntlich nicht mit ihren Verlustbringern, siehe die Woche. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass es die taz mit einem starken Verlag im Hintergrund heute gar nicht mehr gäbe.
Klar, die ewigen Kampagnen ermüden. Immerhin aber funktionieren sie. Jedes Mal erreichte die taz annähernd die Zahl der überlebensnotwendigen Abos. Diese Kampagnenform kann auch nur die taz wählen, jedes Blatt aus einem der großen Verlage würde einfach ausgelacht.
Müssen die tazler also damit leben, dass sie auf Armutsniveau vergleichsweise krisensichere Arbeitsplätze haben? Gibt es keine faire Chance für kleinere Blätter? Doch, im nächsten Aufschwung durchaus. Zweitzeitungen müssen sich aber so deutlich, wie es nur geht, von den großen Mainstream-Blättern unterscheiden, dann entdecken irgendwann auch Mediaplaner die interessante andere Zielgruppe, sogar unter der magischen 100.000er Auflage.
Für die taz ist das Anderssein nicht mehr so einfach wie in den Gründertagen: Umweltskandale wie Nitrofen im Frühstücksei bringen es auf jede Seite 1, Klimaschutz und Globalisierungskritik sind ebenfalls gesellschaftsfähig. Aber George W. Bushs angeblich historische Berliner Rede als Sprechblase im Weißraum, das macht auch heute nur die taz.
Donata Riedel, 40, ist Korrespondentin für Telekommunikations-Unternehmen und Wettbewerbspolitik beim Handelsblatt in Berlin. Von 1988 bis März 1995 war sie taz-Redakteurin, zuletzt Ressortleiterin Wirtschaft und Umwelt. Ab 1992 war sie im Gründungsvorstand der taz-Genossenschaft.
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