DIE LANDWIRTSCHAFTSLOBBY STECKT TIEF MIT DRIN IM NITROFEN-SKANDAL
: Die Agrarfamilie hält zusammen

Der Lebensmittelskandal im Biobereich harrt noch seiner Aufklärung. Klar ist jedoch: Es wurden Lebensmittel mit nennenswerten Konzentrationen Gift verkauft. Schuld daran sind verschiedene Stellen, die – obwohl sie eindeutige Hinweise oder gar Messergebnisse erhalten haben und rechtlich dazu verpflichtet sind – weder die zuständigen Behörden noch die Öffentlichkeit gewarnt haben.

Wer dabei aus Dummheit und wer aus Gewinnstreben gehandelt hat, das müssen die Gerichte klären. Dabei werden die Richter auf einige Probleme stoßen: Der Geflügelmäster, der Futtermittelhersteller, der Lagerbetrieb des Getreides – sie alle sind etablierte Firmen aus dem guten, alten Agrarbusiness. Es sind Großbetriebe, die ihre Chance auch im neuen Premiummarkt der Bioware erkannt haben. Sie sind entweder über gemeinsame Unternehmen verflochten oder aber Mitglieder des Raiffeisen-Genossenschaftverbandes. Selbst die Versicherung des Futtermittelherstellers GS agri ist mit im Verbund: Auch sie stammt aus dem Bereich des ländlichen, überwiegend von Bauern begründeten Genossenschaftswesens. Die Richter werden also an jeder Ecke auf verschwiegene Mitglieder der Agrarfamilie stoßen. Hinzu kommt, dass GS agri und der Bioputenfleisch-Krösus „Grüne Wiese Biohöfe“ durch ihre monatelangen Messungen viel Zeit gewonnen haben. Inzwischen ist das meiste Futter längst verfüttert.

Was bleibt, ist eine gewisse Hilflosigkeit. Sicher ist, dass der Biobereich neu organisiert werden muss – vor allem, was Kontrollstellen und Meldekette angeht. Erst dann werden Giftmessungen an einer Stelle zusammenlaufen und sofort als relevant erkannt werden. Wie aber soll der Ökobereich um den alten Agrarfilz herumkommen? Wer massiv Lebensmittel über Supermärkte verkaufen will, braucht die bestehende Infrastruktur. Ob der Biobereich jemals ausreichend Geld und Know-how für eine eigene Struktur, für eigene Lagerhäuser, Mischwerke oder Speditionen beschaffen kann, ist unklar. So bleibt den Bioverbänden lediglich, den Tiger Agrobusiness im Zusammenspiel mit der Politik irgendwie zu bändigen. REINER METZGER