Argentinien zahnlos gegen Kriminelle

Senat schafft Gesetz gegen Wirtschaftskriminalität auf Druck des IWF ab. Der fürchtet, Investoren abzuschrecken

BUENOS AIRES taz ■ Der argentinische Präsident Eduardo Duhalde darf weiter regieren. Damit Argentinien neue Kredite vom Internationalen Währungsfonds bekommt, beschloss der Senat gestern, ein Gesetz gegen Wirtschaftskriminalität aufzuheben. Nach dem Abstimmungsergebnis von 34:34 gab die Stimme des peronistischen Senatspräsidenten Juan Carlos Maqueda den Ausschlag.

Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1974. Damals sollten jene Helfershelfer der Guerilla getroffen werden, die „das produktive oder finanzielle System Argentiniens“ erschütterten. Doch das Gesetz wurde in den letzten Monaten zunehmend unbequem, weil immer mehr Richter es zur strafrechtlichen Verfolgung von Bankern anwendeten, denen Hilfe zur illegalen Kapitalflucht vorgeworfen wurde.

Aufatmen dürfen auch Expräsident Fernando de la Rúa, der ehemalige Wirtschaftsminister Domingo Cavallo und sämtliche Beamten, die in den letzten Jahren die Geschicke der Zentralbank geleitet haben. Gegen sie waren seit April Verfahren wegen Verstößen gegen das nun kassierte Gesetz eingeleitet worden. Der IWF sah darin vor allem ein Hindernis für ausländische Investoren, weil auch grenzüberschreitende Gewinntransfers als Kapitalflucht gewertet werden konnte. Vor der Abstimmung hatte Duhalde für den Fall einer gegenteiligen Entscheidung mit seinem Rücktritt gedroht. Dennoch stimmten acht seiner peronistischen Parteikollegen gegen die Maßnahme. Duhaldes Intimfeind Néstor Kirchner, der Gouverneur von Santa Cruz, stellte einem Senator gar ein Regierungsflugzeug für den Weg nach nach Buenos Aires zur Verfügung, um die Niederlage des Staatschefs zu besiegeln. Schließlich musste die Opposition der Radikalen Bürgerunion (UCR) Duhalde aus der Bredouille helfen, obwohl sie offiziell gegen die Aufhebung war. Noch vor einer Woche hatte das Repräsentantenhaus für die Beibehaltung des Gesetzes votiert.

Für die Gewährung neuer Kredite fehlt jetzt nur noch, dass die Provinzen zu weiteren Sparmaßnahmen bereit sind. Die meisten Gouverneure wollen sich in der kommenden Woche dazu verpflichten. Doch der Popularität der Regierung dürfte das Einknicken vor dem IWF nicht zuträglich sein. In seiner Anstrittsrede zu Jahresbeginn hatte Duhalde noch versprochen, die Verantwortlichen für den finanziellen Aderlass Argentiniens würden bestraft. Das ist nun noch unwahrscheinlicher geworden. GERHARD DILGER