Möllemann macht Westerwelle hilflos

FDP-Chef will zum Tagesgeschäft übergehen. Statt Möllemann zu tadeln, gibt er schwarzen Peter an Zentralrat weiter

BERLIN taz ■ Guido Westerwelle analysiert den SPD-Wahlparteitag. Nichts habe die SPD zu bieten, statt der neuen Mitte bediene sie die alte Linke. Den Sozialstaat wollen weder SPD noch Union konsequent umbauen: Da bleibt viel Platz und viel zu tun für die Freien Demokraten, stellt der FDP-Chef am Montag fest.

So schön könnte der Wahlkampf sein, so schön hatte er nach dem Parteitag vor zwei Wochen auch begonnen. Einen Ausflug in rechte Wählerlandschaften hätte die Partei gar nicht nötig, suggeriert der Auftritt. Doch die ganze fröhlich-alberne FDP-18-Aufbruchstimmung ist dahin, und gestern beschwor Westerwelle vergeblich wenigstens einen Hauch von Normalität – in der „prägendsten Woche meines Lebens“.

„Möllemann wird zur Belastung für die deutsche Politik“ wahlkämpft Unionsfraktionschef Friedrich Merz. „Am Nasenring“ ziehe der FDP-Vize den „Kanzlerkandidaten Westerwelle durch die Manege“, belustigt sich Außenminister Joschka Fischer. Immer wieder rufen prominente FDPler Möllemann auf, sich ausdrücklich für die Äußerung zu entschuldigen, Michel Friedman sei für den Antisemitismus in Deutschland mitverantwortlich. Fraktionschef Wolfgang Gerhardt veröffentlicht eine persönliche Erklärung auf der FDP-Homepage, in der er Möllemann vorwirft, dem Ansehen der FDP zu schaden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärt, der rheinische FDP-Chef gieße laufend Öl ins Feuer. Bundeskanzler Gerhard Schröder rät väterlich: „Wenn man sich so fürchterlich vergaloppiert hat, kann man doch menschlich die Konsequenzen ziehen und sagen: Das tut mir Leid.“ Aber Möllemann tut offensichtlich nichts Leid. Das FDP-Präsidium, das am Montag (ohne Möllemann) tagte, weiß nicht weiter, und so galoppiert Guido Westerwelle mit starrem Blick weiter geradeaus.

Erneut schiebt er die von Hildegard Hamm-Brücher bereits als „heiße Luft“ titulierte „Berliner Erklärung“ vor, die die liberale Toleranz betont und die „Missverständnisse“, die durch Möllemanns Äußerungen entstanden, bedauert und missbilligt. Vergeblich versucht er auch, die Ausfälle seines Stellvertreters und dessen bockige Weigerung, sich dafür zu entschuldigen, als „Streit“ darzustellen. Als hätten irgendwie beide Seiten Unrecht und müssten aufeinander zugehen. Als sei der Vorwurf des Antisemitismus tatsächlich „ehrverletzend“, wie er in der ARD-Debatte mit Zentralratsvize Michel Friedman am Sonntagabend immer wieder betonte. Gestern wurde sogar eine „bösartige Unterstellung“ und eine „völlige Entgleisung“ daraus.

Der Vorwurf sei nicht ehrverletzend, wenn der Adressat tatsächlich antisemitische Klischees bedient hat, hielt Friedman entgegen. Westerwelle akzeptiert das nicht und beharrt weiter darauf, dass der Zentralrat der FDP nun entgegenzukommen habe. „Unter Erwachsenen“ ist seine Formulierung dafür – als sei der Zentralrat das bockige Kind und nicht Möllemann.

Warum der sich nicht einfach entschuldige, wird gefragt – und mit tiefem Seufzen offenbart Westerwelle seine ganze Hilflosigkeit: „Das frage ich mich auch.“ HEIDE OESTREICH