Subkulturverdacht ausreichend

„Jede Party konnte die letzte sein“: Thalia-Treffpunkt startet, basierend auf Zeitzeugenberichten, Veranstaltungsreihe über Lebensgefühl und politische Verfolgung der Hamburger Swingjugend während des Dritten Reiches

„Ich bin Untersekundaner, in den Flegeljahren, trage einen grauen, auswattierten, zweireihigen Yorkshire-Flanellanzug, Kreppsohlen unter den Schuhen, die Strickkrawatte zu einem Mini-Windsorknoten gebunden. Damit bin ich hinlänglich als Swingboy ausgewiesen.“ So erinnert sich der frühere NDR-Journalist Uwe Storjohann an seine Jugend im Dritten Reich.

Damit lebte er gefährlich, denn die „Swingheinis und -babies“ wurden von den Nazis teilweise massiv bedroht, wurden verfolgt und verprügelt, kamen nicht selten in Haft. Als Angehörige einer Subkultur machten sie sich ausreichend verdächtig, auch wenn die Liebe zum Swing bei diesen Jugendlichen viel mehr einem allgemeinen Lebensgefühl entsprang als dem Bedürfnis nach eindeutiger politischer Artikulation.

In einer Veranstaltungsreihe begibt sich der Thalia Treffpunkt jetzt auf die „Spuren der Hamburger Swingjugend“, in Kooperation mit der Motte, dem Landesjugendring, Tuxedo Junction und der Volkshochschule Hamburg. Schon vor Jahren fühlte sich Corinna Honold zu dem Projekt inspiriert, als sie im Geschichtsverein Eimsbüttel auf einige der alten Swingboys traf. „Die hatten so ein Blitzen in den Augen, als sie über ihre damaligen Erfahrungen sprachen, dass ich sofort angesteckt wurde“, erklärt die Theaterpädagogin vom Thalia Treffpunkt. „Sie ließen sich damals nicht abschrecken. Immer waren sie sich bewusst, dass es die letzte Party sein konnte. Diese Haltung macht heute noch Mut.“ Schnell merkte sie, dass die vielfältigen Erinnerungen nach mehr als einer einzelnen Veranstaltung verlangten.

Den Auftakt macht kommenden Montag im Nachtasyl des Thalia The Flat Foot Floogee, eine szenische Lesung mit Musik. Texte aus Storjohanns Buch Hauptsache überleben und andere Zeitzeugenberichte werden in Kontrast gesetzt zu Texten und Reden der Nazis. Teilnehmen werden Uwe Storjohann, Jörg Kleemann, Ursula Berger und dem Jazz ‘n‘ Dance Orchestra.

Am 16. Juni ist die Swing-Jugend in Hamburg während des Nationalsozialismus Thema einer alternativen Stadtrundfahrt vom Landesjugendring. Dabei werden unterwegs bereits einige Szenen der Theatercollage Swingverdächtig gezeigt, die am 28. und 29. Juni im Thalia in der Gaußstraße zu sehen sein wird. Ein Dutzend Darsteller zwischen 16 und 70 Jahren unter Leitung von Corinna Honold gehen dem Lebensgefühl der Swingjugendlichen in den 40er Jahren nach: Wie sahen Partys aus, welche Reaktionen kamen in der Schule, warum konnten schon Schminke und Regenschirm zu U-Haft führen. Und natürlich gehört zur Veranstaltungsserie auch eine Swingparty inkl. Crashtanzkurs.

Oliver Törner

Lesung The Flat Foot Floogee: Montag, 10. Juni, 19 Uhr, Thalia-Nachtasyl. – Alternative Stadtrundfahrt.: 16. Juni. – Swingparty mit Tanzkurs: 21. Juni ab 21 Uhr in der Motte. Textcollage Swingverdächtig: 28.+29. Juni, 20 Uhr, Thalia Gaußstraße. – Infos zu allen Veranstaltungen unter: 040- 32814137 oder 040-39926242.