Das Leben ist Bass

Schlicht, basslastig und viel, viel freundlicher als die Kollegen aus Bristol: Smith & Mighty treten heute im Casino auf

„Life Is …“ klingt schlicht und lässt eine Menge Luft. Smith & Mighty wissen, warum sie diesen Titel für ihr neues Album gewählt haben: Schlicht haben sie es schon immer gemocht und das Leben ist für sie: der Bass. Das Prinzip des Einfachen und die langsame Schwingung sind die bestimmenden Paradigmen im Schaffen von Rob Smith und Jay Mighty, seit sie Mitte der Achtzigerjahre „3 Stripes“ und damit eines der beiden wirklich großen Soundsystems Bristols ins Leben riefen.

Roots Reggae legen die beiden zu dieser Zeit auf, Dub, Soul und HipHop. Ernst zu nehmende Konkurrenten finden sie in der „Wild Bunch“, einer ganzen Herde aus Sprayern, DJs und Produzenten, die sich für ähnliche Sounds interessiert und ebenso kreuzfidel drauf ist. Während im szenig ausdifferenzierten London der Spezialistensound Acid Jazz zum Lifestyle für den Mainstream geworden ist, bastelt man in Bristol bereits an einer Definition von Basshybriden.

Schon 1987 kreuzen sich die Wege der Soundsystems, als Smith & Mighty die Single „Any Love“ produzieren. Es ist die erste Studioaufnahme von Massive Attack, deren Mushroom zur Wild Bunch gehört. Schon bald reimt sich „Bristol Vibe“ auf „Hype“: Bristol wird neben Seattle zur Pophauptstadt der Neunziger. Wie Grunge vermittelt auch die Musik aus der englischen Hafenstadt, dass das Leben alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Massive Attack klingen wie graue Wolken, Tricky legt Wahnwitz auf schummrigen Beats nach, Portishead reihen wenig später Trauerspiel an Trauerspiel.

Nur Smith & Mighty machen nicht mit beim Trübsalblasen. Ihr Subtext bleibt Gelöstheit, über all die Jahre. Vielleicht ein Grund dafür, dass ein geplantes Album wie „Bass Is Eternal“ zwar ein Riesenerfolg mit Majorbacking hätte werden können, nach Abgabe 1991 aber einfach von den Produktmanagern abgelehnt wird: zu locker, zu untypisch für den plötzlich düsteren Bristolsound.

Ähnlich geht es den More Rockers. Das ist das Breakbeat-Pseudonym von Smith und jenem Peter D. Rose, der inzwischen auch Smith & Mighty zum Trio erweitert hat. Stücke wie der „1, 2, 3, Break“ aus dem Jahr 1996 strotzen nur so vor Willen zur Party. Zu einem Drum’n’Bass-Star wie Goldie oder LTJ Bukem wird man aber eben auch nur mit wahlweise genügend Paranoia oder träumerischen Landschaften im Angebot. Smith & Mighty hat es also immer am gewissen Geheimnis gefehlt. Auch auf dem Basspop-Update 2002 „Life Is …“ geht es nicht böse auratisch zu. Manchmal klingt die Platte sogar leicht käsig, ein paar Sounds wie direkt aus den Voreinstellungen der Keyboard-Datenbank abgerufen.

Doch auch dann versöhnt: der Bass. Und wenn diese gefräßigen tiefen Frequenzen ganz allein gelassen werden mit ein paar Breakbeats und diesen Sängerinnen und MCs aus Bristol, dann ist die diesjährige Ausgabe von Smith & Mighty der Inbegriff des Luftigen. Schlicht können sie schon richtig, schlicht und Bass.

CHRISTOPH BRAUN

Heute ab 21 Uhr treten Smith & Mighty im Casino auf, Mühlenstr. 26–30, Friedrichshain