Bewegte Geschichte

Vom „Arbeiterkampf“ zu „analyse + kritik“: Eine Monatszeitung feiert ihr 30-jähriges Bestehen, unter anderem mit HipHop von „Microphone Mafia“

Nach einem Monat Streit war diese antideutsche Position dort, wo sie bis zum Ende des KB blieb – in der Minderheit.Die Mehrheit setzte auf die neu gegründete PDS.

von GASTON KIRSCHE

Am morgigen Sonnabend feiert die linke Monatszeitung analyse & kritik ein Fest im Hamburger Fundbureau: ak 30. Mit der migrantischen HipHop-Kombo Microphone Mafia, dem DJ-Duo Hanni & Nanni und den als „Altmeister des vorgetragenen Wortes‘‘ angekündigten Thomas Ebermann & Rainer Trampert mit ihrem neuen Programm Sachzwang und Gemüt. Die Redaktion aus Hamburg-Eimsbüttel lädt gut gelaunt ein: „30 Jahre gilt es zu feiern, den Weg vom Arbeiterkampf bis zum heutigen Titel, die Geschichte vom Kommunistischen Bund bis zum Verein für politische Bildung – Analyse und Kritik. Mit den politischen Bewegtheiten dieses langen Zeitraumes werden wir euch an diesem Abend verschonen. Stattdessen setzen wir auf die rhythmische Bewegung.‘‘ Entsprechend findet sich in der aktuellen Ausgabe der a&k nicht mehr als die Einladung zur Geburtstagsparty. Dabei ist die Geschichte der a&k und ihres Vorläufers spannend.

Neben Schlaghosen und Flokatijacken waren sie markante Erscheinungen der 70er: Die K-Gruppen oder „Chaoten“, wie sie von sozialdemokratischen SpießerInnen aus DGB, DKP und SPD herablassend tituliert wurden. Im November 1971 gründeten in Hamburg mehrere örtliche Zirkel eine größere K-Gruppe, den Kommunistischen Bund (KB).

Das Prägende am KB war in den 70er Jahren seine „Faschisierungsthese‘‘. Im Gegensatz zu anderen Linken sah der KB in der BRD „die Massen‘‘ nicht auf dem Weg nach links, sondern eine „schrittweise Faschisierung von Staat und Gesellschaft‘‘, mit welcher die „kommenden Kämpfe‘‘ der Arbeiterklasse, später der neuen sozialen Bewegungen, unterdrückt werden sollten. Deshalb war die praktische Politik des KB viel von Antifa und der Verteidigung demokratischer Rechte geprägt.

Aber Faschisierung wurde fälschlicherweise damals nur als Herrschaft seitens der Herrschenden begriffen. Die ideologische, gesellschaftliche Rechtsentwicklung, auch von unten, unterschätzte der KB. Das lag an dem auf Neonazis und Repressionsapparate verkürzten Faschisierungsbegriff. Die reale Faschisierung fand in Bereichen statt, für die eine „AG Ausländer“ zuständig war – oder niemand so richtig, wie im Falle der Umdeutung der deutschen Naziverbrechen. 1985 schüttelte Kohl Reagan über den SS-Gräbern von Bitburg die Hand – das Zeichen der Entschuldung der SS-Nazis durch die USA als Sieger des 8. Mai ‘45. Bitburg wurde nicht als Ausdruck einer fortschreitenden nationalen Formierung begriffen.

Die Annexion der DDR ab Herbst 1989 erwischte den KB eiskalt. Eine Erklärung des Leitenden Gremiums des KB unter dem Titel „Denk ich an Deutschland in der Nacht...“ läutete die Spaltung ein. Darin wurde ein „Selbstbestimmungsrecht der Deutschen“ bestritten. Nach einem Monat Streit war diese antideutsche Position dort, wo sie bis zum Ende des KB blieb – in der Minderheit. Die Mehrheit kritisierte zwar auch die Annexion der DDR durch die BRD, aber bejahte das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Allgemeinen und auch das eines deutschen Volkes. Sie setzte auf die neu gegründete PDS.

Die KB-Minderheit versuchte, sich als antideutsche kommunistische Gruppe zu reorganisieren. Dies gelang während der „Nie wieder Deutschland“-Kampagne Anfang ‘90. Später wuchsen in der Gruppe K die inneren Widersprüche, und es wurde nur noch taktisch diskutiert. Im Oktober 1995 löste eine Vollversammlung die Gruppe auf. Während die KB-Minderheit wenigstens etwas neues Kollektives versuchte, machte die KB-Mehrheit so weiter wie bisher und stützte über die Jahre das Erscheinen von a&k. Im April erschien die erste Ausgabe einer Sonderausgabe: Fantômas, magazin für linke debatte und praxis. Erhältlich in denselben Läden wie a&k. Oder im Abo als kostenfreie Zugabe. Im halbjährlichen Rhythmus soll jeweils ein Themenhaft erscheinen: „Das vorliegende Heft – zu rebellieren und zu denken wagen – untersucht die Möglichkeit, mit sozialer Bewegung und mit der Linken neu beginnen zu können‘‘, erklärte die Redaktion vorweg.

Durch die etwas zu schaumschlägerische Schreibe wirken die redaktionellen Texte, neben denen Beiträge einer Vielzahl von AutorInnen stehen, als ob die radikale Linke glatt gebügelt werden soll. Zwar tauchen viele aktuelle Gedanken aus unterschiedlichen linken Sub-Szenen auf, werden persönliche Zugänge zu linker Politik formuliert. Notwendige Auseinandersetzungen verschwinden aber hinter einer netten linken Präsentation. Typisch ist hierfür, wie im Vorwort die eigene Geschichte glatt gemacht wird: „Zwischen 1989 und 1991, zwischen dem Ende der Sowjetunion, dem Anschluss der DDR an die BRD und dem zweiten Golfkrieg, kommt dem Arbeiterkampf der Kommunistische Bund gänzlich abhanden.‘‘

Die Chance, aus der Geschichte und Widersprüchlichkeit des KB zu lernen, wird so verschenkt zugunsten weich gespülter und dampfgebügelter Inszenierung von Identität und Tradition. Der KB wird darauf reduziert, a&k und Fantômas mit einer Herkunftslegende interessant zu machen. Wer sehen will, wie frühere ProtagonistInnen von kollektiver Militanz tanzen, kann trotzdem ins Fundbureau gehen.

(Der Autor ist Mitglied der gruppe demontage, war 1976–91 im SSB/KB, 91–95 Gruppe K)

mit Microphone Mafia, dem DJ-Duo Hanni & Nanni sowie Ebermann & Trampert: morgen, 20.30 Uhr, Fundbureau, Stresemannstr. 114