Wo geht es hier in Richtung Tag?

Karten für eine andere Wirklichkeit: Mit seinem Projekt Mapstation versucht Stefan Schneider, Wege in der unübersichtlichen Landschaft der elektronischen Klänge zu finden. Heute Abend trifft er im Roten Salon auf den Reggae-Singer Ras Donovan

von AXEL WERNER

Man muss an Joseph Conrad denken und dessen unzähmbare Leidenschaft für Landkarten, wenn man Stefan Schneiders Projekt Mapstation hört. Die Faszination unbekannter Orte zwischen Utopien, Dystopien und Heterotopien ist der gemeinsame Nenner. Allerdings kommt Kreidler- und To-Rococo-Rot-Mitglied Schneider auf dem Mapstation-Album „A Way To Find The Day“ komplett ohne Conquista, Kolonisierung, Wahnsinn oder gar „das Grauen“ aus. Während in Conrads Kongo-Hölle die Geräusche aus dem vorbeiziehenden undurchdringlichen Dickicht des Urwalds immer mögliche Bedrohung und Gefahr signalisieren, löst sich bei Schneider etwa im Eröffnungstrack „A Map Of Africa“ das Zirpen von Grillen einer imaginären nächtlichen Steppenlandschaft auf in ein Konzert körperloser elektronischer Sounds.

Natürlich klingt „A Way To Find The Day“ so auch eher wie eine akustische Transformation des „Space-Night“- und „Deutschlands-schönste-Bahnstrecken“-Nachtprogramms: der distanzierte Blick aus einer extremen Vogelperspektive und die ebenerdige Durchquerung einer Landschaft gleichzeitig. Oder, um den unvermeidlichen Kraftwerk-Verweis auch noch gleich hinzuzupacken: ebenso Spacelab wie Trans-Europe Express. Schneider geht es mit seinem Seitenprojekt nicht darum, sich als Komponist und Künstlerindividuum mit seiner Musik in ein Autor/Werk-Verhältnis zu begeben, sondern vielmehr, die Maschinen laufen und die einmal in Gang gesetzten Sounds miteinander arbeiten zu lassen.

Hier werden Settings eingerichtet, die die Verselbstständigung und Eigendynamik mehrerer simultaner Klangebenen zulassen, wo frei von jeglicher Intentionskontrolle nur an den nötigsten Stellen eingegriffen wird. Assoziative Soundlandschaften eben, die ins Imaginäre mitnehmen, deren utopische Konstruktion aber dennoch den Abgleich mit der Realität einfordern: „So many things you can do, so many places to go. Wake up, dreamers.“ Willkommen in der wirklichen Welt!

Eine solche musikgeologische Verfahrensweise kann aber auch zur tektonischen Plattenverschiebung eines interkontinentalen Soundclashs führen, wenn „Two Landscapes“ aufeinander zudriften beziehungsweise mit Ras Donovan ein Reggae-Singer auf den Elektroniker aus Düsseldorf trifft. War Schneider eigentlich schon immer ein Reggae-Fan und der elektronische Aspekt aktueller Dancehall-Produktionen Gegenstand seines hellen Interesses, so geht es auf den entsprechenden Stücken von „A Way To Find The Day“ aber mitnichten um eine bloße Reproduktion oder rein zweckdienliche Inkorporation von Reggae-Flavours, sondern eher um gegenseitige, suchende Annäherung. Die samtene Stimme Ras Donovans gleitet wunderbar auf Schneiders Klangteppichen und das hat mit Ganja-, Consciousness- oder Babylon-Chants nun gar nichts zu tun.

Die reggaetypischen Offbeats sind elektronisch präsent und laden nicht wirklich zum slacken Hüftkreisen ein. Man stelle sich das vor wie eine aus dem Gerresheimer Stadtwald und einem karibischen Palmenhain zusammengesetzte Baumschonung.

Es ist zwar eine sehr lustige bis absurde Vorstellung, was passieren würde, wenn „A Way To Find The Day“ auf einem Dance in Downtown Kingston liefe, aber vielleicht kann man die Entwicklung von Roots Reggae über Computerized Dub zu zeitgenössischen Volldigitalriddims sogar auch in Analogie zu Schneiders eigener musikalischer Vita von Kreidler über To Rococo Rot bis eben zu Mapstation betrachten.

Mapstation spielen heute Abend ab 22.30 Uhr zusammen mit Ras Donovan im Roten Salon