Schwarz-Gelb lässt nicht begehren

Heute wollen Union und FDP den rot-grünen Gesetzentwurf für mehr Bürgerbeteiligung im Bundestag stoppen. SPD setzt trotzdem auf Verhandlungen: Vielleicht nur ein bisschen Volksinitiative? „Mehr Demokratie“ bleibt cool: Union sei unter Druck

von ANGELIKA HENSOLT

Noch will Hermann Bachmaier die Hoffnung nicht aufgeben, dass der rot-grüne Gesetzentwurf für mehr Bürgerbeteiligung heute den Bundestag passiert – zumindest ein Teil davon. Der SPD-Abgeordnete hat das Projekt gemeinsam mit dem grünen Kollegen Gerald Häfner vorangetrieben. Er werde sein Angebot an die Union heute nochmals erneuern, wenigstens bei der Volksinitiative mitzumachen: „Wir sind dann sofort bereit, vorerst auf Volksbegehren und Volksentscheid zu verzichten“, sagte er zur taz.

Aber auch dafür stehen die Chancen schlecht: „So kurz vor Ende der Legislaturperiode werden wir das nicht mitmachen“, kündigte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach der taz an. Die Koalition habe vier Jahre lang für einen Gesetzentwurf gebraucht und stelle ihn jetzt zur Abstimmung. Das Ganze sei für ihn deshalb eher ein „Beitrag zum Wahlkampf als ernsthafte Politik“. Auch FDP-Politiker Max Stadler spricht von einer Grundgesetzänderung, die im „Schweinsgalopp beschlossen werden solle“. Nur die PDS hat bisher Zustimmung signalisiert. Für die nötige Grundgesetzänderung aber braucht es eine Zweidrittelmehrheit und deshalb die Stimmen von FDP und Union.

Sieht also ganz so aus, als könnte Rot-Grün das Wahlversprechen für mehr Bürgerbeteiligung nicht halten. Für Parteichefin Claudia Roth ist daran allein die Union schuld. Man gönne der Koalition diesen Erfolg wohl nicht, mutmaßt sie. Bosbach kontert: „Es bleibt keine Zeit zum Diskutieren.“ Bachmaier hält dagegen, man habe die Union oft genug zu Gesprächen aufgefordert: „Ich bin denen fast hinterhergelaufen.“

Die Abstimmung sei aus taktischen Gründen so spät angesetzt worden: „Gerade im Wahlkampf ist es doch schwierig, dem Bürger zu sagen, man halte ihn nicht für mündig genug“, erklärt Bachmaier. Bosbach pariert, daran könne man sehen, dass die Union eben nicht aus wahltaktischen, sondern aus inhaltlichen Gründen gegen das Gesetz sei: Die Einflussmöglichkeiten der Länder würden beschnitten.

Fest steht: Obwohl SPD und Grüne schon 1998 bei Amtsantritt die Einführung plebiszitärer Elemente versprachen, konnten sie sich erst Anfang dieses Jahres auf die Eckpunkte des Gesetzes verständigen. Ernsthafte Verhandlungen gab es erst, als Claudia Roth Parteivorsitzende wurde und Gerald Häfner, Bundesvorstandsmitglied im Verein Mehr Demokratie, in den Bundestag nachrückte. Der Verein für direkte Demokratie ist „natürlich nicht begeistert darüber, dass das Gesetz wahrscheinlich keine Mehrheit bekommen wird“, sagte Bundesvorstandssprecherin Claudine Nierth der taz. Trotzdem sei diese Niederlage zugleich ein Sieg, betonte Nierth: Der Gesetzentwurf sei einmalig in Europa und werde auch die Union unter Druck setzen. Deshalb hoffe man auf die nächste Legislaturperiode.

Auch für den SPD-Mann Bachmaier ist die Abstimmung heute nur ein Zwischenschritt: „Wir kommen wieder“, sagt er fast ein bisschen drohend. Er verweist darauf, dass Edmund Stoiber noch vor vier Jahren einen entsprechenden Vorstoß der rot-grünen Koalition im Bundesrat unterstützen wollte.

Der Entwurf, der heute zur Abstimmung steht, sieht vor, dass in einer Volksinitiative alle Bürger einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen können, wenn sie 400.000 Unterschriften dafür sammeln. Wird der Entwurf nach acht Monaten nicht verabschiedet, kann ein Volksbegehren eingeleitet werden. Dazu bedarf es fünf Prozent des Wahlvolks. Bewegt sich das Parlament auch dann nicht, gibt es einen Volksentscheid. Daran müssen sich 20 Prozent der Wahlberechtigten beteiligen. Über Steuern, Haushalt und eine Wiedereinführung der Todesstrafe sollen die Bürger nicht entscheiden können.