Großes Kuba

Schnafte Rumba-Rhythmen und aggressiver spanischer Sprechgesang: Die Orishas spielen im Tränenpalast

HipHop und kubanischer Son haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Während auf der einen Seite wortgewaltige Kapuzenträger zu halsbrecherischen Scratches „street credibility“ zelebrieren, verbreiten auf der anderen würdevoll ergraute Veteranen ihre Botschaft von Sonne, Rhythmus und den Freuden einer guten Zigarre.

Kein Wunder also, dass die Puristen beider Lager zunächst verschnupft reagierten, als vor knapp zwei Jahren ein Album in die Läden kam, das klang, als hätten sich Public Enemy und die Greise vom Buena Vista Social Club zu einer rumgeschwängerten Jam-Session getroffen. „A lo cubano“ hieß das Werk, das vier Exilkubaner und ein gewitzter französischer HipHop-Produzent unter dem klangvollen Namen „Orishas“ (eine Hommage an die Naturgottheiten der afro-kubanischen Santería-Religion) in einem Pariser Studio ausgekocht hatten.

Obwohl man förmlich hören konnte, wie bei der Plattenfirma EMI die Verkaufskassen klingelten – zwei kommerziell erfolgreiche Musikstile in einem! –, fanden nach kurzer Zeit auch die härtesten Kritiker Gefallen an der Mischung aus Rumba-Rhythmen und aggressivem spanischen Sprechgesang: Die „Orishas“ machen ihre Sache zu gut, um nur ein steriles Produkt zu sein. Die Rapper Yotuél und Ruzzo sowie der Son-Sänger Roldán sind in den Vorstädten von Havanna aufgewachsen und wissen, wovon sie singen. Ihre Texte sind manchmal bittere, oft humorvolle Auseinandersetzungen mit dem kubanischen Alltag zwischen Lebensfreude und katastrophalem Mangel; Lieder wie „Habana“ und „Gladiatores“ handeln von Sextourismus und der Massenflucht in eilig zusammengezimmerten Booten und sie sind weit entfernt von dem stupiden „Ich bin der größte Gangster“-Gegröhle mancher US-Kollegen. Selbst wenn die Orishas auch auf ihrem neuen Album „Emigrante“ die Missstände in der letzten Bastion des Sozialismus anprangern, stehen sie bedingungslos hinter dem „máximo lider“ ihrer Heimat: „Auf jeden Fall sind wir für Castro. Auch wenn das System reformbedürftig ist, gefällt uns das Kuba von heute besser als jenes vor der Revolution.“

Der größte Triumph in der Karriere der jungen Musiker war daher auch die Tatsache, dass sie im vergangenen Jahr erstmals in ihrer Heimat auftreten durften – vor 20.000 begeisterten Fans, die sich die Aufnahmen der Band als illegale Raubkopien beschafft hatten. FRANK WEIGAND

Heute, 20 Uhr, Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte