Karsais Durchmarsch

Pünktlich zur Eröffnung der Loja Dschirga schaltet Afghanistans Premier seine Rivalen aus: Exkönig Sahir Schah und Expräsident Rabbani

aus Kabul SVEN HANSEN

Nachdem wegen anhaltender Unstimmigkeiten über die künftige Rolle des früheren afghanischen Monarchen Mohammed Sahir Schah erneut eine Verschiebung der großen Ratsversammlung (Loja Dschirga) befürchtet worden war, ist sie gestern Nachmittag eröffnet worden. Bei der mit Spannung erwarteten Rede von Sahir Schah gab es bei der Übertragung im nationalen Fernsehen von Beginn an keinen Ton. Unmittelbar zuvor schon waren im Pressezentrum, wo 600 Journalisten aus aller Welt die einzige Möglichkeit haben, die Sitzungen der Loja Dschirga zu verfolgen, Bild und Ton ausgefallen. Als nach dem Exmonarchen Interimsregierungschef Hamid Karsai sprach, funktionierte alles wieder.

Zwar sind in Kabul Stromausfälle an der Tagesordnung, doch wollte kaum jemand an einen Zufall glauben. Der Exkönig hatte erst am Vorabend auf Druck des US-Sondergesandten Zalmay Khalilzad seinen Verzicht auf eine mögliche Präsidentschaftskandidatur erklären lassen und damit den Weg für Karsai freigemacht. Auch der dritte Kandidat, Expräsident Burhanuddin Rabbani, hat seine Kandidatur zurückgezogen und zur Unterstützung Karsais aufgerufen, der damit afghanischer Präsident wird.

In seiner später schriftlich erhältlichen Rede appellierte der Exkönig an die über 1.550 Delegierten, das nationale Interesse voranzustellen. Zur eigenen Rolle sagte der 87-Jährige: „Ich verspreche, was immer in meiner Macht ist, zu tun, um die Unabhängigkeit des Landes zu verteidigen, Frieden und Stabilität wieder herzustellen und die nationale Einheit zu stärken, bis wir wieder ein demokratisches System haben in Übereinstimmung mit den Regeln des Islam.“ Erneut sprach er sich für Karsai als Führer der zu bestimmenden Übergangsregierung aus.

Karsai unterstrich vor allem die Leistungen seiner Regierung, wozu er den gesamten bisherigen Wiederaufbau zählte und versprach, die Effizienz der Verwaltung zu erhöhen und die Korruption zu bekämpfen. Als er sprach, trug er statt seiner bekannten Lammfellkappe einen auffälligen Turban und sprach in Paschtu. Damit wollte er seine paschtunische Herkunft betonen und bei dieser Volksgruppe werben. Denn vor allem Paschtunen hatten in den letzten Tagen massiv eine Kandidatur des Exkönigs unterstützt, weil sie Karsais Bündnis mit einer tadschikischen Fraktion der Nordallianz misstrauen. Diese kontrolliert die wichtigsten Ministerien. Der zu dieser Gruppe gehörende Innenminister Junis Kanuni erklärte im Anschluss, dass er um des Friedens willen zum Rücktritt bereit sei. Am Vormittag hatte es ein Treffen von 800 Delegierten gegeben, die eine Kandidatur des Exkönigs unterstützen. Sie wollen ihn noch umstimmen.