Margaret Klaus steht vor dem Aus

Gegen das europäische Sozialstaatsmodell hat Václav Klaus schon immer polemisiert. Im Angesicht der Wahlniederlage wird seine EU-Kritik schärfer

von SABINE HERRE

Manchmal kann Europas Vielfalt ganz schön lästig sein. Als im November letzten Jahres bei einer Podiumsdiskussion in Warschau der deutsche Außenminister Joschka Fischer auf den tschechischen Parlamentspräsidenten Václav Klaus traf, wurde deutlich, wie schwierig die Debatte über die Zukunft der EU noch werden wird. Denn während Fischer wenige Wochen nach dem 11. September die Notwendigkeit einer gemeinsamen Außenpolitik der Europäer beschwor, stellte Klaus fest: „Die EU muss nicht stark sein.“

Eine Ansicht, die von einem Globalisierungskritiker stammen könnte. Hier aber sprach die so genannte „Margaret Thatcher Osteuropas“ und für diese(n) ist die Europäische Union eigentlich nur wegen des gemeinsamen Marktes notwendig. Alles andere hält Klaus für „Europismus“, und Ismen sind immer zu verurteilen: „Ich sehe es als meine Pflicht an, gegen die Vereinheitlichung des Kontinents, gegen diese Ideologie der europäischen Sozial- und Christdemokraten zu kämpfen, solange ich die Kraft dafür habe.

Die These

Václav Klaus ist sicher der größte EU-Skeptiker unter den Politikern der Beitrittsländer. Und da er seine pointierte Kritik stets auch in fließendem Deutsch oder Englisch vorbringen kann, ist er so etwas wie der Guido Westerwelle europäischer Talkshows. Doch die Zeit, in der Joschka Fischer und andere „Europisten“ die Wortgefechte mit Klaus lediglich als intellektuelle Herausforderung betrachteten, dürfte an diesem Wochenende zu Ende gehen. Die These lautet: Nicht wenn Klaus die Parlamentswahlen gewinnt, sondern wenn er sie verliert, gerät der EU-Beitritt Tschechiens ernsthaft in Gefahr.

Die Ausgangslage

Im Dezember 1997 stürzt Premier Klaus über eine Parteispendenaffäre. Bei den Neuwahlen im Frühsommer 1998 wird seine konservative ODS erneut so stark, dass die siegreichen Sozialdemokraten einen „Oppositionsvertrag“ mit ihr abschließen müssen. Dieser regelt die Teilung der Macht zwischen den zwei stärksten Parteien für die nächsten beiden Legislaturperioden. Nach vier Jahren der Tolerierung einer linken Minderheitsregierung sollen 2002 die Rechten den Premierminister stellen. Und da die ODS eine One-Man-Show ist, würde dieser natürlich Václav Klaus heißen.

Bis in den Mai hinein läuft für Klaus alles planmäßig. Im Wahlkampf setzt er bewusst auf populistische Themen, wie etwa die Begrenzung der – fast nicht existierenden – Einwanderung. Und da er nicht vergessen hat, dass die Sozialdemokraten bereits 1998 mit antideutschen Ressentiments punkteten, stellt Klaus sich nun an die Spitze der Verteidiger der „nationalen Interessen“. Der Premierminister in spe: „Österreich und Deutschland wollen mit ihrer Forderung nach Aufhebung der Beneš-Dekrete die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs revidieren. Das ist eine Bedrohung der tschechischen Staatlichkeit.“

Je näher aber der Wahltermin rückt, umso klarer wird, dass der neue sozialdemokratische Vorsitzende Vladimír Špidla eine andere Politik als sein Vorgänger, Premier Miloš Zeman, verfolgt. Der Sozialpolitiker setzt mehr und mehr auf eine gemeinsame Regierung mit der „Koalition“, einem Zusammenschluss von Christdemokraten und liberaler Freiheitsunion. Zudem holen die Sozialdemokraten den Vorsprung, den die ODS in Meinungsumfragen hat, kontinuierlich auf – um sie schließlich zu überholen.

Für Klaus bedeutet dies gleich zweierlei: Zum einen wird ihm die Rückkehr ins Amt des Ministerpräsidenten wohl erneut misslingen. Zum anderen aber sind seine Chancen, 2003 die Nachfolge von Staatspräsident Václav Havel anzutreten, angesichts der wachsenden Zahl seiner Gegner in beiden Kammern des Parlaments deutlich geringer geworden. Die Karriere des einflussreichsten Prager Politikers der Nachwendezeit wäre zu Ende.

Das Szenario

Doch Klaus wäre nicht Klaus, wenn er nicht schon jetzt nach einem Ausweg suchen würde. Seine strategischen Überlegungen für die Zeit nach einer Wahlniederlage machte vor kurzem ODS-Vize Petr Nečas deutlich. Bei den Konservativen geht man davon aus, dass die Regierung in den nächsten, entscheidenden Monaten der Beitrittsverhandlungen mit der EU zahlreiche Niederlagen hinnehmen muss. Klaus würde es dann nicht schwer fallen, seine nationalistische Rhetorik gegen die EU und das sie angeblich dominierende Deutschland zu steigern, um die Tschechen schließlich aufzufordern, im vorgesehenen Referendum gegen den Beitritt zu stimmen.

Die Strategie könnte aufgehen: Tatsächlich ist die Zustimmung der Tschechen zum EU-Beitritt in den langen Monaten der Debatte über die Beneš-Dekrete um 12 Prozent auf nur noch 41 Prozent gesunken. Scheitert aber das EU-Referendum, stürzt damit auch die sozialdemokratische Regierung. Die anschließenden Neuwahlen dürfte Klaus ohne große Probleme gewinnen.

Die Konsequenzen

Würde ein tschechischer Premier Václav Klaus sein Land trotz gescheitertem Referendum doch noch in die EU führen? In Prag gibt es inzwischen einige Politiker, Intellektuelle, Journalisten, die dies verneinen.

Natürlich weiß der Ökonom Klaus, dass die kleine Tschechische Republik mit ihren 10 Millionen Einwohnern außerhalb der EU und umgeben von lauter EU-Mitgliedern beträchtlichen Schaden nehmen würde. Auffällig ist jedoch, wie oft die ODS in letzter Zeit ihre enge Verbundenheit mit der Politik George W. Bushs betont. Dass Europa in Zeiten der Globalisierung mit seinem Sozialstaatsmodell ein Gegengewicht zu den USA bilden könnte, diese Vorstellung vieler EU-Politiker lehnt er entschieden ab. Hinzu kommt, dass es inzwischen nicht wenige Tschechen gibt, die angesichts der ökonomischen Erfolge des Landes den Zwischenkriegstraum einer mitteleuropäischen Schweiz wieder aufleben lassen. Und dieses kleine Land ist schließlich auch nicht in der EU.

Letztendlich jedoch werden ökonomische Argumente nicht den Ausschlag geben. Die Privatisierung in Tschechien hat gezeigt, dass sich Klaus trotz aller verbalen Bekenntnisse zum Neoliberalismus am Ende stets so entschied, wie es seinen Interessen am meisten nutzte. Dies wird auch beim EU-Beitritt so sein – Brüssel sollte sich darauf einstellen.