schily & stasi-unterlagen
: Reform im Geiste Helmut Kohls

Der grüne Innenpolitiker Cem Özdemir hat Recht, wenn er im Zusammenhang mit der geplanten Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes von einer „Obstruktionspolitik“ spricht. Nur im Adressaten hat sich der Grüne geirrt. Nicht die Union, sondern Innenminister Otto Schily stellt sich in den Weg. Er will die Freigabe der Stasiakten über Personen der Zeitgeschichte daran knüpfen, dass die darin enthaltenen Informationen nicht „unter Verletzung von Grundrechten“ zustande gekommen sein dürfen. Setzt sich Schily mit seiner Forderung durch, dann bedeutet dies ein Begräbnis erster Klasse für die Aufarbeitung und historische Erforschung der Arbeit des DDR-Geheimdienstes.

Kommentarvon WOLFGANG GAST

Schließlich zeichnete sich die Arbeit der Stasi gerade dadurch aus, dass sie mit grundrechtswidrigen Praktiken Erkenntnisse im In- und Ausland sammelte und die Opposition im eigenen Land unterdrückte. Mit Ausspähen, Abhören, Denunzieren, nicht zuletzt auch mit Erpressung und „Zersetzung“.

Der „Alternativentwurf“ des Innenministers für ein Stasi-Unterlagen-Gesetz geht in seiner Rigidität weit über die Absichten der Union hinaus, die den Zugang zu den Stasiakten ebenfalls einschränken will. Das Beharren der Union, dass die so genannten Personen der Zeitgeschichte letztlich selber darüber entscheiden dürfen, ob die sie betreffenden Stasi-Unterlagen veröffentlich werden, schränkt die Aufarbeitung der Arbeit des DDR-Geheimdienstes massiv ein – Schilys Entwurf aber unterbindet sie.

Auslöser für die anstehende Novelle des Stasiakten-Gesetzes ist das vom früheren Kanzler Helmut Kohl in eigener Sache erwirkte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem die Herausgabe von Akten über Personen der Zeitgeschichte aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes unterbunden wurde. In der letzten Konsequenz führt das Urteil dazu, dass heute nicht einmal Stasi-Dokumente über den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 veröffentlicht werden dürfen, wenn darin die Persönlichkeitsrechte derer verletzt werden, die den Aufstand niederschlugen. Auch die Union versperrte sich deshalb nicht der Einsicht, dass eine Änderung des Gesetzes notwendig geworden war. Sie will sich im Wahlkampf nicht vorhalten lassen, sie würde sich schützend vor die Funktionsträger des untergegangenen SED-Regimes stellen. Strittig war in den vergangenen Tagen nur die Frage, wie viel Auklärung es denn sein darf – bis dann der Totengräber Otto Schily kam.

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