Party: 200 Jahre Abrüstung

Schildwächter zu Landschaftsgärtnern: Statt Kanonen stellten die BremerInnen lieber Mühlen auf ihre Bastionen und pflanzten Salat auf den Wallanlagen / Verschlungene Wege für geistige Freiheit

Ein englischer Garten als Zeichen geistiger Freiheit, der allen zugänglich war

Seerosen aus rosa Haushaltshandschuhen auf dem Stadtgraben, eine Ton-Dia-Schau in der Unteren Rathaushalle und die norddeutsche Bonsai-Ausstellung am Theaterberg: Bremen bereitet sich auf die großen Abrüstungsfeierlichkeiten in der Stadt vor:

An diesem Wochenende steigt nämlich die große „Die Wallanlagen haben Geburtstag, tra la la la laaa“-Party. Allerdings ist das Ostertorviertel dank nicht-fahrender Straßenbahnen für fünf Tage nahezu von der Außenwelt abgeschnitten. Zur Entschädigung und zu Ehren von Bremens ältestem konversionspolitischem Beispiel ist am Freitag- und Samstagabend auf der gesamtem Wallanlagenlänge eine „Installation de feu“ zu bewundern: Tausende von Feuertöpfen erhellen die Nacht in Bremens citynächstem englischen Garten. Während des gesamten Wochenendes ist Musik im Grünstreifen zu hören, bei der Kunsthalle bietet ein Riesenrad eine neue Perspektive auf die Stadt. Und Sonntagnachmittag fahren Kutschen und alte Autos auf dem Wall herum.

Die heutigen BremerInnen verdanken dieses Fest einer weisen Einsicht ihrer Ahnen. Der nämlich, dass die städtischen Verteidigungsanlagen überflüssig und in der Instandhaltung zu teuer seien. Diese Einsicht ist allerdings schon älter als 200 Jahre. Schon im 17. Jahrhundert war die Stadtbefestigung eher kontraproduktiv: Gegen die moderner werdenden Waffen konnte sie kaum noch schützen. Gleichzeitig bot sie gegnerischen Truppen ausgezeichnete Deckung. Vom Bremer Rat ist überliefert, dass er sich über das Benehmen der Bevölkerung ärgerte: Die lief – verbotener Weise – „mutwillig“ auf den Bastionen herum, schoss von dort wild in die Gegend und betrank sich öffentlich. Straßenjungen spielten den in die Jahre gekommenen Schildwachen Streiche. Die Müller der Bockwindmühlen pflanzten auf der Verteidigungsanlage Salat. Pferde, Kühe, Ziegen und Hühner liefen durch die Anlagen. Im Wassergraben fischten die BremerInnen und wuschen ihre Wäsche.

1802 ordnete der Rat die Verhältnisse, indem er das schnelle Reiten in den Anlagen verbot, das dort schon zu Unfällen geführt hatte. Auch das Wäschewaschen beendeten die Ratsherren. Viel wichtiger aber war der „Abrüstungsbeschluss“, die Brustwehren abzutragen. Stattdessen sollten dort „freundliche Gartenanlagen und terrassenartige Spaziergänge mit schattigen Ruheplätzen und Lauben“ entstehen, so der Wille von Rat und Bürgerschaft. Die Senatoren Simon Henrich Gondela und Johann Gildemeister bildeten sich in England fort in Fragen des Gartenbaus. Außerdem engagierten die Stadtväter den Oldenburger Hofgärtner Christian Ludwig Bosse, der zunächst die Spitzbastionen der Wallanlagen abrunden ließ und das Terrain in einen englischen Garten umwandelte. Seine Arbeit übernahm 1803 der Bremer Isaak Hermann Albert Altmann, der sich insgesamt über dreißig Jahre um die Wallanlagen kümmerte. Nach ihm heißt heute noch die Altmannshöhe am südliche Ende der Wallanlagen, von wo aus man einen hübschen Weserblick hat.

Unter dem Einfluss der Romantik entstanden verschlungene Wege und wuchsen Bäume ungeschnitten. Diese Form der Gartenanlage kann als Zeichen für größere Freiheit verstanden werden. Sie steht im Kontrast zum streng geometrischen französischen Garten des Barock. Die neuen Wallanlagen waren, dieser Logik entsprechend, für Angehörige aller Schichten zugänglich. Von so viel Friedlichkeit und aufklärerischem Gedankengut geprägt, verkaufte die Stadt Bremen konsequenterweise schon 1802 die letzten Kanonen und anderen Verteidigungsüberbleibsel. Eine frühe Form der Bremer Konversionsbemühungen. Dummerweise überrannten Napoleons Truppen die schutzlose Stadt. Der Feldherr ließ in den Jahren 1810 und 1813 die Grünanlagen wieder militärisch aufrüsten. Nach Abzug der Besatzer wollten die BremerInnen auch ihre Parkanlage wiederhaben, die ihnen Gärtner Altmann erneut anlegte.

Heute mit Tango-Händel-Mozart-Jazz und hoffentlich ohne Regen feiern

Wie viel der Umgang der Institutionen mit ihren Parks über den Zeitgeist aussagt, zeigen die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts: Parkwächter vertrieben diejenigen, die sich auf den Rasenflächen niederlassen wollten. Ihre Begründung: Sie störten das Erscheinungsbild der Parklandschaft. Da sind die Ordnungshüter heute etwas entspannter.

Ulrike Bendrat