Üble Symbiose

Dicht und grausam: Enda Walshs „Bedbound“ als Gastspiel bei den Thalia-Autorentheatertagen

Manche Dramen beginnen ganz klein. Eines Tages, im Sommerurlaub am Strand, fällt die Tochter in eine Jauchegrube und erkrankt an Polio. Der Vater, ein Möbelhändler aus Cork, mauert die Seinen ein, die Frau stirbt, das Mädchen überlebt und vegetiert fortan in grausamer Symbiose mit dem Vater.

Der irische Autor Enda Walsh, Hamburgern seit Disco Pigs als Spezialist für dramatische Stoffe im Kontext sozialer Tristesse ein Begriff, hat für sein Drama Bedbound, jetzt als Gastspiel der Münchner Kammerspiele aufgeführt bei den Thalia-Autorentheatertagen, erneut eine minimalistische Zweierbeziehung gewählt: Vater und Tochter, Täter und Opfer.

In ihrer Regie hat Monika Gintersdorfer das sprachgewaltige Werk optisch zugespitzt: Man sieht ein riesiges Bett, eine Schaumstoffwüste aus Stoff-Fetzen an ein Holzgestell geklammert. In diesem schauerlichen Gebirge ringt Julia Jentzsch als spastisch gelähmte Tochter mühsam um Halt. Manchmal rollt sie einfach die Wülste hinab und landet in einem sargähnlichen Bettkasten. Angetan mit vollgekotzter Trainingsjacke und geblümter Unterhose, bietet sie ein Bild der Verwahrlosung – und ist dabei doch schön. Geduldig erträgt sie die Tiraden ihres Vaters. Sie liest ihm vor, übernimmt im Spiel die Rolle seines Angestellten, wenn es sein muss.

Der Vater (Hans Kremer) ringt auch in dem zu engen braunen Cordanzug noch um Haltung. Nach und nach kommt seine Vergangenheit ans Licht, von dem fünfzehnjährigen Lagerarbeiter, der einst die Möbelindustrie in Cork beherrschen wollte. Der den Freund der eigenen Machtgier opferte. Wenn er schreit, pöbelt und rotzt, braucht er ein Publikum, und da ist ihm nur die Tochter geblieben. Längst hat sie zu einer abgeklärten Gelassenheit gefunden. „Die Panik setzt ihm ein Ende, mir einen Anfang“, sagt sie kalt und richtet sich ein wenig auf.

Von unerhörter Grausamkeit sind die Momente, in denen er sie „verpisster Spasti“ beschimpft. Aber auch das prallt an ihr ab. Sie spielt sein Spiel mit –im Bewusstsein, dass ihr Leben zwar so ist, wie es ist, er aber unter einer großen Schuld zum Leiden verdammt ist. Zwei Menschen im Ringen um Würde und so etwas wie Liebe. Monika Gintersdorfer hat den Kuß, zu dem Vater und Tochter im Stück am Ende finden, ausgespart. Dadurch werden ihre Figuren noch verwundbarer in ihrer schwachen Hoffnung auf Frieden. Ein karger großer Theaterabend.

Annette Stiekele